238. Der Strand zwischen Swine und Dievenow.
Auf dem Strande zwischen der Swine und der Dievenow ist es von alten
Zeiten her nicht geheuer gewesen, und man hat schon allerlei wunderliche
Gestalten dort gesehen. So hatte um das Jahr 1500 der Herzog Bogislav
seinem Kanzler Jürgen Kleist das Amt zu Usedom eingethan, worauf
dieser oft über die Swine ziehen mußte. Als er nun auch einmal
in der Nacht des Weges fuhr, und von der Swine nach der Dievenow zurückkehren
wollte, da ist ihm eine sehr seltsame Geschichte widerfahren. Es wurde
nämlich der Himmel plötzlich finster, und es ward so dunkele
Nacht, daß man weder Sterne noch Menschen sehen konnte, und Jürgen
Kleist und seine Diener nicht mehr wußten, wo hinaus sie sollten.
Da hörten sie auf einmal auf der Seite eine Stimme, die rief: hierher!
hierher! Derselben wollten die Knechte folgen, aber der Kanzler verbot
ihnen das, denn er wußte wohl, daß in der Nacht allerlei Teufelsgespenst
herum zu wanken pflegt. Er befahl ihnen daher, in demselben Wege weiter
fahren, in dem sie einmal waren. Die Stimme schrie unterdeß immer
heftiger: hierher, hierher! und wie man nicht darauf hörte, da kam
ein feuriger Mann daher, der ganz nackt war bis auf einen feurigen Mantel,
den er umgehangen hatte. Derselbe machte sich dicht an den Wagen, griff
die Lehne an, und lief also neben dem Wagen her. Er sagte kein Wort und
sah nur den Jürgen Kleist ohne Unterlaß starr und heftig an.
Zuweilen schlug er seinen feurigen Mantel auseinander, dann konnte man
ihm in den Leib hineinsehen, und es sah darin aus, als wenn Rippen und
Alles wie höllisches Feuer wären. In dem Laufen wurde das Gespenst
immer größer und größer, daß es zuletzt mit
dem Kopfe bis an den Himmel reichte. Auf die Länge, da ihm Niemand
ein Wort sagte, ließ es von dem Wagen ab, und schlug seinen Mantel
ganz auf; und nun schüttete es aus demselben große Flammen
heraus, wie aus einem brennenden Meiler; dann gab es ein großes,
tiefes Grunzen von sich, und darauf verschwand es. Jürgen Kleist
und seine Knechte waren so erschrocken geworden, daß sie es in vielen
Tagen nicht verwinden konnten. Ein Hund, der bei dem Wagen war, hat sich
über das Gespenst so gefürchtet, daß er vor Angst zwischen
die Räder gelaufen ist, und geheult und gewinselt hat, als sollte
er sterben. Dieses, sagt man, sey dem Kanzler begegnet, weil er nicht
an das Fegefeuer hat glauben wollen, und habe ihn unser Herr Gott durch
das Gesicht bekehren wollen. Andere meinen, es sey ihm zur Warnung und
zum Zeichen gewesen, weil er viele Unpflicht im Lande aufgebracht habe.
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Ein ähnliches Abenteuer hatte ein andermal der Edelmann Jacob Flemming
an derselben Stelle. Dieser reisete auch einmal im Finstern am Strande
zwischen der Swine und Dievenow. Da fingen auf einmal den Knechten die
Peitschen an zu brennen, und wie sie das Feuer abschlugen, so flog es
in den Wagen hinein, in welchem Jacob Flemming saß, und lief darin
umher. Deß erschrak ein Knabe, der vorn im Wagen saß, dermaßen,
daß er unter den Wagen fiel. In demselben Augenblicke kam auch eine
große feurige Kugel, die ebenfalls unter den Wagen fiel. Und als
nun nach dieser die Knechte stechen wollten, da hätten sie schier
den armen Knaben erstochen, wenn er nicht früh genug aufgeschrien
hätte. Diesem Jacob Flemming soll das zur Strafe geschehen seyn,
denn er hat greulich geflucht, und wenn er Jemandem böse wurde, so
hat er ihm angewünscht: dir soll Unglück bestehen.
Kantzow, Pomerania, II. S. 277-279.
Cramer, Gr. Pomm. Kirchen-Chron. III. S. 12.
v. Klempzen, vom Pommerlande, S. 184. 185.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 238