243. Der Teufel in Greifenberg.
Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt
Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in
seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn
nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war
aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und
zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und
wie das Kind kaum eilf Jahre alt war, da jagte er es unbarmherziger Weise
von sich und hieß es gehen, wohin es wolle. Der arme Knabe verließ
darauf die Stadt und nahm sich vor, gen Danzig zu gehen, wo noch Freundschaft
seiner Mutter wohnte. Er versprach sich aber auch davon wenig, da er so
sehr hart von den Menschen bis jetzt war behandelt worden. In solchen
traurigen Gedanken ging er weiter, und beachtete es nicht, daß er
in die Irre gerathen war. Wie er nun einmal in der Freitag-Nacht ganz
verlassen da lag, so trat auf einmal der böse Feind in der Gestalt
eines schwarzen Mannes zu ihm, und beredete ihn, daß er nach zwölf
Jahren sein eigen seyn und ihm darüber eine Handschrift mit seinem
Blute geben wolle, wogegen er ihm versprach, daß er ihm in dieser
Zeit allenthalben, wo er es nur begehrte, die Schlösser eröffnen,
ihm auch sonst Geld genug verschaffen werde. Der Knabe erschrak zwar Anfangs
und konnte sich nicht entschließen, aber der Teufel ließ ihm
keine Ruhe, brachte auch gleich Papier und Feder hervor, und hieß
ihm, sich in den Mittelfinger der rechten Hand zu schneiden, das Blut
in die Feder laufen zu lassen und also zu schreiben. Das that der Knabe,
und das Blut, sobald er die Feder voll hatte, fing von selbst an, sich
zu stillen, daß es ihn am Schreiben nicht hinderte. Also schrieb
er die Handschrift, acht Zeilen groß, mit solchen Worten, daß
er seinen Gott verschwor, dagegen Alles bekomme, was er begehre; daß
er davon nicht zurückkehren könne, sondern nach zwölf Jahren
dem Teufel eigen sey mit Leib und Seele. Darauf stellte ihm der Teufel
ein Buch zu, worin allerlei gehörnte Thiere roth abgemalt und hebräische
Buchstaben geschrieben waren, und sagte ihm dabei, wenn er dieses Buch
bei sich habe, so sey es eben so viel, als wenn er, der Teufel selber,
bei ihm wäre. Der Satan verschwand hierauf, der Knabe aber wurde
noch dieselbe Nacht bis nach Oliva und Danzig geführt. Von nun an
zog er viel in der Welt umher und lebte gut, da ihm der Teufel immer Geld,
wenn auch nur in lauter halben Groschen, verschaffte. Nur mußte
er auf Befehl seines Meisters stets in zerrissenen Kleidern umhergehen,
sich auch der Schule, Kirche und des Gebets enthalten; und wenn er ja
vor der Mahlzeit einmal ein Gebet hatte sprechen müssen, so mußte
er alle Speise, so durch dieses Gebet gesegnet war, wieder von sich brechen.
Solches Leben trieb er an fünftehalb Jahre; da kam er eines Tages
nach Greifenberg zurück, und der Teufel sagte ihm, er solle die Nacht
in ein Haus gehen, und sich allda Geld holen. Das that der Knabe, und
jener öffnete ihm die verschlossenen Spinde und Comtore und übergab
ihm vieles Geld, so darin lag. Darüber wurde das verführte Kind
aber ergriffen und von der Obrigkeit eingezogen.
Nachdem er nun hier Alles ausgesagt, was der Teufel für Händel
mit ihm betrieben, hat man ihn dem Geistlichen der Stadt, Magister Dionysius
Friedeborn, einem überaus gelehrten Theologen, und dessen Collegen
Magister Balthasar Simon, übergeben; die haben ihn täglich besucht
und ermahnt, auf den Kanzeln für ihn gebetet, und sich viele Mühe
gegeben, ihn aus des Teufels Stricken und Banden zu erretten. Dem widersetzte
sich der Teufel mit aller seiner Macht, also daß er das Kind jetzt
leibhaftig besaß und schreckliche Worte aus ihm redete. Der arme
Knabe verzweifelte darüber an Gottes Gnade; doch nahmen die geistlichen
Herren sich seiner so gewissenhaft an, und leisteten dem Teufel so tapferen
Widerstand, daß er zuletzt begehrte, er wolle in die Kirche gehen,
darin öffentlich beichten und sich das heilige Sacrament reichen
lassen. Das hat er denn gethan an einem Sonnabend Morgen, im Beiseyn vieler
Zeugen, wiewohl mit großer Angst, und mit Zittern und Schweiß.
Allein dies konnte ihm noch nicht helfen; denn nun erschien in der darauf
folgenden Nacht der Teufel vor ihm und schalt ihn entsetzlich, und forderte
das Buch von ihm zurück, so er ihm vor fünf Jahren gegeben.
Das hatte der Knabe nicht, denn er hatte es weit weg vergraben, und deshalb
drohete er ihm, er solle seine Handschrift nicht eher zurück haben,
als bis das Buch wieder herbeischaffte. Dabei quälte und ängstigte
er den Armen entsetzlich, also daß alle Gebete der Geistlichen ihn
nicht aufrichten konnten. Endlich brachte man ihn in die Kirche; allda
mußte er eifrig beten, die Predigt anhören, und alsdann, nach
vorhergehendem öffentlichen Gebet, knieend vor dem Altare, seine
Handschrift widerrufen, aufs Neue dem Teufel mit allen seinen Werken und
Wesen entsagen, den christlichen Glauben ganz nachsprechen, und darauf
zum Tische des Herrn gehen. Sodann rief die ganze christliche Gemeine
Gott an, daß der Teufel durch dessen Gnade und Allmacht gezwungen
werde, die Handschrift dem Knaben wieder zu bringen, damit er öffentlich
zu Schanden gemacht werde. Solches wirkte denn auch soviel, daß
der Teufel in der nächsten Nacht, nach eilf Uhr, mit einem gräulichen
Brausen zu dem Knaben kam, und ihm seine Handschrift vor den Kopf warf,
mit diesen Worten: Ich bin deinethalben genugsam darum geschoren!
Von der Zeit an ist der Knabe von dem bösen Feinde befreiet geblieben;
die Obrigkeit hat ihn auf freien Fuß gesetzt, und er hat sich so
wohl gehalten, daß er unter der Kaiserlichen Armee mit Ruhm eine
Corporalschaft bedient hat. Solches ist geschehen im Jahre 1624.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 107-110.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 243