12. Der Wendische Hund.
Um das Jahr Eintausend nach Christi Geburt lebte der Fürst Mestiboi,
ein gewaltiger, kühner Herr, der zugleich über die Pommern und
Mecklenburger Herzog war. Der hatte, als er noch ein junger Prinz war,
auf Befehl seines Vaters, des Herzogs Mizislav, dem Kaiser Heinrich auf
seinem Zuge wider die Sarazenen Hülfe geleistet mit tausend Pferden,
die er ihm zubrachte, und hatte sich sehr tapfer und muthig gezeigt. Auf
diesem Zuge hatte er auch die Tochter des Herzogs Bernhard von Sachsen
gesehen, und sich in dieselbe verliebt, auch von dem Herzog Bernhard,
der ihm wohlwollte, die Zusage erlangt, daß sie sein Gemahl werden
solle. Als er nun Herzog geworden war, und die Braut abholen wollte, da
war ihm entgegen der Markgraf Dieterich von Brandenburg, ein Oheim der
Prinzessin, ein gar hochfahrender Mann. Der sagte, daß man ein deutsches
fürstliches Fräulein einem solchen Wendischen Hunde nicht geben
solle, und also erhielt er sie nicht. Da sagte Mestiboi drohend: Dieser
Wendische Hund soll Euch beißen und bellen, daß man es im
ganzen Lande soll hören können. Er schlug auch seiner Seits
das Fräulein aus, als demnächst der Herzog Bernhard sie ihm
anbieten ließ, und schwor nur, der Schimpf solle dem Markgrafen
durch den Hals dringen. Er verband sich darauf mit der ganzen Ostwendischen
Nation, und fiel dem Markgrafen in das Land und besiegte ihn, also daß
der Markgraf sein Land räumen und Domherr in Magdeburg werden mußte,
wo er im Elende gestorben ist. In diesem Kriege mußte sich auch
die Stadt Brandenburg den Wenden ergeben; sie plünderten sie rein
aus, und rissen alle Kirchen darin bis auf den Grund nieder. Nur die Sanct
Marien-Kirche auf dem Harlunger Berge ließen sie stehen; sie weiheten
sie aber ihrem Götzen Triglaff.
Also rächte sich der Wendische Hund.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 127.
128.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 12