186. Der Stein bei Wiskow.
Bei der Kirche zu Wiskow, einem Dorfe unweit Greiffenberg, steht nahe
am Wege ein Stein, auf welchem sich ein Kreuz und folgende Inschrift befindet:
Jacob Wachholz Gnade Gott! Daneben ist ein Büffelkopf eingehauen.
Von diesem Steine erzählt man sich Folgendes:
Vor Zeiten lebte in
dieser Gegend das Geschlecht derer von Wachholz, die sehr reich waren,
und viele Dörfer und Höfe in der Gegend besaßen. Auf diese
Güter hatte das Kloster Belbog es schon längst abgesehen, ohne
daß es eine Gelegenheit fand, ihrer habhaft zu werden. Da trug es
sich endlich zu, daß Jost Wachholz in dem Dorfe Wiskow, nicht weit
von der Kirche, sich an einem Dienstmanne des Klosters verging, der dort
unbefugterweise ein Stück Wild erlegt hatte. Der Ritter hatte zwar
nicht ganz Unrecht, aber die Mönche zu Belbog erhoben über seine
Gewaltthat ein solches Geschrei, daß er in Angst gerieth, und sein
weltliches und ewiges Heil von den Mönchen loszukaufen begehrte.
Das gelang ihm nur durch einen harten Tausch, den er mit dem Kloster eingehen
mußte. Denn er mußte an dieses abtreten seine Güter Wachholzhagen,
Meiersberg, Herrenhof, Kreigenkrug, Hohen-Drasedow, Küssin und Schruptow,
welche alle sehr ansehnlich und einträglich waren; wogegen das Kloster
ihm nur die geringen Güter Dargesloff, Schwedt, Overschlag, Jarchow
und Molstow entgegengab. Zum Andenken dieses ungleichen Tausches nun,
sagen die Leute, wurde jener Stein gesetzt, und zwar auf der Stelle, wo
das Vergehen des Jost Wachholz gegen den Dienstmann vorgefallen war. Der
Stein wurde von dem Kloster, solange dieses bestand, stets sorgsam gehegt;
denn es soll Bedingung des Tausches gewesen seyn, daß er nur so
lange gelten solle, als der Stein stehe. Der Büffelkopf war darum
auf denselben eingegraben, weil die Herren von Wachholz einen solchen
in ihrem Wappen führten. Andere sagen, an der Stelle dieses Steines
sey ein Herr von Wachholz, Namens Jacob, von seinem eigenen Knechte erschlagen,
als sie einstens von Treptow zurückgekommen seyen.
Baltische Studien, II. Jahrg. I. Heft, S. 20. 21.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 186
Kommentar:
Besagter Stein (ca 200 cm hoch, ca 60 breit und ca 20 cm stark) steht im Vorort Wiskow (früher Wischow) von Trzebiatow (Treptow a.d. Rega), der Heimatstadt des Reformators Bugenhagen in Pommern vor einem ehemaligen Instmannhaus:
Der Stein bei Wiskow
© Hans-Jürgen Wachholz, September 2007
Bei günstigen Lichtverhältnissen sind die Umrisslinien eines Kreuzes zu erkennen, über dessen Stamm die zweizeilige Inschrift ausgegründet war:
"Jacob Wacholt
gnade di got."
Daruntner ist in einem Fünfeckschild der umrissene Widderkopf - Wappen der Wachholz - nur noch schwach zu erkennen (kein Büffel!).
Die Familiengeschichte vermeldet, dass an dieser Stelle Jacob Wachholz am 1. März 1544 auf dem Heimweg von Treptow nach Dargeslaff (heute Dargoslaw) von einem seiner Knechte erschlagen wurde. Jacob von Wachholz fand seine letzte Ruhe in der Marienkirche zu Treptow. Die im Fußboden der Kirche eingelassene Grabplatte ist inzwischen so stark abgetreten, dass sie zumindest bei den dortigen Lichtverhältnissen nicht mehr entzifferbar ist.
Die sogenannte "Mordwange" von Wischow wurde 12 Jahre nach der Bluttat auf dem Gebiet der Familie Wachholz neben der Wischower Chaussee in der Nähe der bis 1945 zum Familienbesitz gehörigen Hofstelle Jerusalem aufgestellt. Die Überlieferung besagt, dass der Mörder durch den Abt des Klosters Belbuck (Belbog) gedungen war.
Dies erscheint insofern als sehr wahrscheinlich, als die Familie Wachholz damals noch sehr einflussreich - wenngleich nicht mehr so wohlhabend war wie noch rund 100 Jahre zuvor. Als Oberhaupt der Familie, die u.a. auch zahlreiche hohe kirchliche Würdenträger (z.B. Bischof von Kamien) gestellt hatte, und seit über 100 Jahren mit dem Kloster im erbitterten Streit lag, machte sich Jacob Wachholz als Anhänger der neuen lutherischen Lehre sehr nachdrücklich für die Entmachtung und Auflösung des Klosters stark.
Jacob war ein Sohn des Jost, der wiederum einen Dienstmann des Klosters Belbuck erschlagen haben soll, als er diesen beim Wildern antraf.
Dass er damit seinen Ärger über eine mehr als acht Jahrzehnte zuvor erfolgte Übervorteilung der Familie durch das Kloster (Vertrag vom 29. November 1461) abreagiert habe, die Mönche deshalb einen Fluch-Stein zur ewigen Mahnung errichtet hätten und liebevoll pflegten, weil die ans Kloster gegangenen Ländereien so lange in dessen Besitz - bleiben sollten, wie der Stein steht, ist zwar eine schöne Geschichte - aber ganz sicher unzutreffend. Er steht auf bis 1945 wachholzschem Boden und als er errichtet wurde, war das Kloster bereits Geschichte.
Die Familie Wachholz wird in der pommerschen Geschichte bereits im 12. Jahrhundert erwähnt.
Quelle Kommentar: Email-Zusendung, Hans-Jürgen Wachholz, 17. September 2007.