1. Die Zweikämpfe um die Oberherrschaft zwischen den Wenden und Dänen.
In den alten Zeiten wurde das jetzige Pommerland von einem Volke bewohnt,
welches Wenden genannt wurde. Diese Wenden waren sehr tapfer und kriegerisch.
Insbesondere wurden sie in viele und arge Kriege mit den Dänen verwickelt.
Einstmals, lange Zeit vor der Geburt des Herrn, lebte in Dänemark
ein König Namens Rorich, welcher viel Krieg mit seinen umliegenden
Nachbarn führte. Derselbe unterstand sich auch, die Wenden im Pommerlande
zu bekriegen. Er fand diese zum Streite lustig, und die beiden Völker
kamen in ihren Schiffen auf der See gegen einander. Die Wenden hatten
etliche Schiffe in einen Halt versteckt, und ließen nur einige wenige
sehen, indem sie meinten, der Dänische König solle auf diese
losgehen; so wollten sie dann weichen bis auf jene Seite des Haltes, und
alsdann den König von vorn und von hinten zugleich überfallen.
Aber der König merkte den Betrug, und als die Wenden vor ihm flohen,
verfolgte er sie nur bis zu dem Halte hin und überfiel flugs die
im Halt und schlug sie in die Flucht, ehe die anderen umkehren konnten.
Diese kamen ihnen aber doch nach einer Weile wieder zur Hülfe, und
sie setzten sich nun sämmtlich dem Könige zur Wehre. Da der
König das sah, hielt er stille, und war zweifelhaft, was er thun
sollte.
Wie nun die Feinde so gegen einander lagen, trat einer der Wenden hervor,
der hieß Maska, und war ein weidlicher starker Mann von Gliedmaßen
und von Gemüthe. Derselbige rief, so die Dänen wollten, um Vermeidung
vielen Blutvergießens, Einen gegen ihn schicken, daß sie mit
einander kämpften um die Ueberhand, also welcher von den Kämpfern
gewänne, daß dessen Volk des andern Herr sein sollte, so wollten
die Wenden ihr Glück und Unglück darauf setzen. Dem Könige
und den Seinen bedünkte es zwar schwer zu sein, um solche hochwichtige
Sache, daran ihre Freiheit und ganze Wohlfahrt stände, auf eines
einzigen Mannes Hand zu wagen; dennoch zogen sie sich es zum Schimpfe,
daß nicht Einer unter ihnen sein sollte, der so keck und stark wäre
als der Wenden Einer; sie forschten deshalben unter sich, und fanden Einen,
der sich gegen den Wenden zum Kampfe erbot. Also willigten sie in den
Vorschlag der Wenden ein, und gaben Maska einen Gegenmann.
Diese beiden Kämpfer traten nun zu Lande; die anderen aber Alle blieben
in ihren Schiffen, damit kein Theil seinem Kämpfer mochte zu Steuer
kommen, und sahen mit großer Begierde und Angst zu, wie es doch
die Kämpfer endigen würden. Darauf stießen die Trompeter
an, und die beiden Kämpfer liefen feindlich an einander. Der Däne
schmiß weidlich gegen den Wenden an, und gab ihm einen Streich über
den andern, und verwundete ihn etlichemal hart, also daß er schier
erlegen hätte. Aber der Wende säumte auch nicht, schlug aller
Orten um sich herum, und wehrte sich männlich, bis auf daß
er zuletzt dem Dänen das Haupt mitten entzwei hieb und ihn also erwürgte.
Da erhob sich ein großes Geschrei und Frohlocken unter den Wenden;
sie holten ihren Kämpfer Maska zu Schiffe, ließen ihn verbinden
und erwiesen ihm große Ehre. Von den Dänen aber forderten sie,
der gegenseitigen Verwilligung nach, daß sie ihnen unterthänig
sein sollten. Ueber solches Unglück wurden die Dänen traurig
und sie begannen ihren Unbedacht zu verfluchen, daß sie so leichtsinnig
ihr höchstes Gut und Wohlfahrt, als die Freiheit, auf Eines Mannes
Hand gestellt. Sie suchten daher Ausflüchte, wie sie von ihrer Verpflichtung
sich befreien möchten, und sagten, der Kampf sei ungleich gewesen,
dieß und jenes hätte daran gefehlet, sonst hätte ihr Kämpfer
wohl so gut gewinnen mögen als Maska; sie wollten ihrer Zusage nicht
entfallen, aber es müsse ehrlich und unparteiisch zugehen; daher
wollten sie noch einmal zwei Kämpfer gegen einander stellen, und
dieselbigen sollten, ihrem vorigen Bescheide nach, durch ihren Gewinn
oder Verlust entscheiden, wer da herrschen oder dienen solle.
Den Wenden bedünkte die Ausflucht unbillig; aber sie nahmen die
Sache in Bedenken bis auf den andern Tag, und unterdeß beredete
Maska sie, sie sollten der Dänen Vorschlag annehmen, nicht daß
sie es schuldig, sondern zum Uebermaß, er versehe sich, ob er gleich
etwas verwundet worden, dennoch so stark zu sein, daß er einem Dänen,
er mögte seyn, wer er wolle, Manns genug sein könnte, und die
Dänen würden auch so leichtlich keinen finden, der sich gegen
ihn zu erheben vermöchte: derohalben sollten sie es nur kühnlich
auf ihn wagen, er wolle ihnen, mit Hülfe der Götter, keinen
Schimpf oder Verlust zu Wege bringen. Da die Wenden solch einen Trost
hörten, ergaben sie sich darein, und bewilligten den Dänen ihren
Vorschlag, doch daß es einen Tag oder vierzehn anstände, bis
daß Maska ganz geheilet wäre. Das nahmen die Dänen fröhlich
auf, und sie zogen unterdeß auf Mone (Insel Möne) und die Wenden
auf Rügen. Die Dänen konnten anfangs nicht leichtlich Einen
unter sich finden, den sie zu dem Kampfe vermögten; zuletzt hat sich
Einer, Ubbo genannt, dazu angegeben. Dem hat der König Rorich große
Verehrung zugesagt und ihm auch sogleich seine güldenen Armbänder
geschenket.
Nachdem nun der Anstand verlaufen war, sind die Dänen und Wenden
wieder zur See gezogen, und haben die Stelle des Kampfes auf Falster benannt.
Daselbst traten die Kämpfer auf den Strand und boten sich den Kampf.
Die Wenden und Dänen hielten auf dem Wasser in ihren Schiffen, und
sahen zu. Da stießen die Trompeten an, und Maska und Ubbo liefen
wie Riesen, mit großem Ungeheuer auf einander, und stritten mörderlich
zusammen, also daß von den Schlägen das Feuer aus den Waffen
flog und Einer dem Andern den Harnisch zerhieb, daß die Stücke
klungen und das rothe Blut zur Erde lief. Darüber erhob sich ein
großes Geschrei und Rufen in den Schiffen. Ein jeder Theil ermahnte
seinen Kämpfer und wünschte ihm zu gewinnen, und stunden beide
Theile in Hoffnung und Angst.
Aber wie die Kämpfer also auf einander verhitzet waren, und Einer
auf den Anderen mörderlich drängte, da erwürgten sie sich
zuletzt Beide, also daß Keiner übrig blieb.
Darauf vermeinten die Dänen, die Sache wäre jetzt gleich. Aber
die Wenden bezogen sich darauf, daß ihr Kämpfer zuerst gewonnen,
nachdem auch nicht verloren hätte; darum sollte die erste Ueberwindung
nicht todt sein, und die Dänen sollten ihnen Unterthänigkeit
geloben. Das wollten die Dänen nicht, und war die Sache wie zuvor.
Nach vielem Zanken und Dräuen haben sie sich jedoch in der Länge
so vertragen, daß die Dänen sich absagen mußten, nimmer
wieder gegen die Wenden zu kriegen ohne billige Ursache.
Thomas Kantzow, Pomerania, herausgegeben von H.G.L.
Kosegarten, I. S. 9-13.
Alberti Cranzii Wandalia, S. 8.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 1