Die kleine Mühle.
Mündlich in Platendorf.
Es war einmal eine Frau, die hatte eine kleine süße Tochter
und weiter nichts; und sie wohnten zusammen auf einem hohen Berge. Einst
wurde die Mutter krank, und da mußte das kleine Mädchen alle
Tage allein ins Holz und Beeren suchen. Als es nun einmal gar keine mehr
finden konnte, setzte es sich hinter einen Busch und weinte. Da kam eine
alte Frau aus dem Busch, die hatte eine lange Nase und fragte: "Was
fehlt dir?" Das Mädchen klagte seine Noth, und die alte Frau
holte eine kleine Mühle aus dem Busch hervor und sagte: "Drehst
du die Mühle links herum, so mahlt sie schönes weißes
Mehl; drehst du sie rechts herum, so mahlt sie feine Graupen; legst du
den kleinen Finger hier oben auf den blanken Knopf, so hört sie auf,
und sagst du dieß jemandem, so mahlt sie gar nicht mehr." Damit
war die alte Frau weg; das Mädchen aber lief mit der Mühle nach
Haus, und nun hatten sie zu eßen, so viel sie nur wollten. Einige
Jahre nachher wurde das Mädchen krank, und die Mutter mochte beten,
so viel sie wollte, es starb und gieng zum lieben Gott. Nun zog ihm die
Mutter das beste Kleidchen an, legte es in ein Grab und weinte und weinte.
Nachher, als sie wieder hungerig wurde, drehte sie die Mühle rechts
herum, und sie mahlte lauter feine Graupen. Als es genug waren, sollte
die Mühle wieder aufhören; die mahlte aber immerzu. Die Mutter
hielt einen Stock zwischen die Flügel; der Stock zerbrach, und die
Mühle mahlte immerzu und mahlte die ganze Hütte und den ganzen
Berg voll. Da lief die Mutter fort, und keiner weiß, wo sie geblieben
ist; die Mühle aber mahlt noch immerzu, und wenn sie einen großen
Haufen gemahlen hat, so kommt der Wind und weht es über die Erde,
und dann sagen die Leute: "Es graupelt."
Quelle: Märchen
und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr.
25, S. 78 - 79.