Nachwort.

Nachdem wir seit etwa sechs Jahren die alten Überlieferungen im Volke, und zwar nicht nur Sagen und Märchen, sondern auch Sitten, Gebräuche, Aberglauben und Lieder, still für uns aufgezeichnet haben, senden wir auf den voranstehenden Blättern einen Theil der Sammlung wieder dahin aus, woher wir sie genommen. Die drei Märchen "Vom gollenen Beineken", "Einochs" und "Holtmul" sind uns von Karl Gödeke mitgetheilt, und die drei Aufzeichnungen aus Donnern verdanken wir dem fleißigen Sammler C. B. Kropp in Bremervörde; alle übrigen mit "Mündlich" bezeichneten Stücke sind von uns selber während des Erzählens aufgezeichnet, treu in allen Hauptzügen und mit Beibehaltung eigenthümlicher Redeweisen; die letzte Redaktion hat der Unterzeichnete übernommen. Von den erfreulichen, zum Theil bedeutenden Mittheilungen, die uns nach Herausgabe der deutschen Mythologie fürs deutsche Volk so zahlreich zugegangen sind, haben wir außer den obigen in diesem Bändchen noch nichts geben können; wir bringen sie mit anderen, von uns noch im Volke und aus wenig bekannten Büchern gesammelten im zweiten, und die Volkslieder mögen erst nach Jahren in die Welt zurückgehen. Wir können es indes nicht unterlaßen, allen Gebern nah und fern schon jetzt zu danken, namentlich, falls ihr auch diese Blätter zukommen sollten, der ungenannten gütigen Verfaßerin des Briefes mit dem Postzeichen mit dem Postzeichen "Pressburg": der angezeigte, viel versprechende Schatz soll sorgsam und baldigst gehoben werden; ebenso bitten wir alle, nicht in der Aufzeichnung ermüden zu wollen: es liegt noch so viel Treffliches verborgen! - Erzählt ist uns alles im Hannover'schen; einige der Örter liegen aber jenseit der Grenze Hannovers, und dieser scheinbare Widerspruch hat darin seinen Grund, daß wir der ersten Heimat der betreffenden Erzählung so weit nachgegangen sind, als nur möglich.

So herzlich wir nun aber auch wünschen, ein rechtes Kinderbuch geliefert zu haben: der höhere Zweck ist der, die deutsche Mythologie zu fördern. Und sie ist gefördert, diese herrliche junge Wißenschaft: schon dieses Bändchen bringt ihr manche neue und bedeutende Züge, in welcher Veziehung beispielshalben nur "Peter Bär" und "Der brennende Hirsch" genannt werden mögen. Schon diese erste Sammlung legten wir so an, um ihr eine kurze Mythologie, die an die betreffenden Stücke anknüpfen sollte, zugeben zu können: Wuotan sollte sich z.B. an 22, 43, 45, 63, 70, 85 etc. anschließen; Donar namentlich an 5, 36, 49, 52 und 89; Zio, von dem wir weiter nichts Wesentliches angetroffen, an 80; Fro neben dem Märchen unter 47 an 12 1) und 82; Loki namentlich an das Märchen unter 78; die Göttinnen, die Wald- und Waßerweiber etc., sowie die Hexen an die vielen sie betreffenden Erzählungen; die Riesen an 5, 10, 37, 41 etc.; die Elbe, Zwerge etc. an die zahlreichen Zwergmärchen; der Tod an 6, 68 etc.; die Heilighaltung und Verabscheuung mancher Geschöpfe, der Alten Vertrautheit mit der Natur an 1, 8, 9, 12, 16, 21, 22, 34, 42, 45, 47, 49, 58, 59, 62, 64 2) etc. etc. Vornehmlich wegen der Mythologie haben wir auch Sagen und Märchen, Altes und Neues unter einander gemischt. Es wird indessen das folgende Bändchen noch so viel Neues und Bedeutendes bringen, daß die kurze Mythologie dort ersprießlicher werden kann. - Damit endlich diese Sammlung recht in den Dienst der Sprachwißenschaft treten möge, sind neben den oberdeutschen auch manche niederdeutsche Erzählungen mitgetheilt; die aus Celle wie die aus unserer Heimat schwiegen sich genau dem dortigen Dialekt an und verschmähen eben deshalb scharfe Konsequenz in der Orthographie: die Volkssprache ist frei und mannigfaltig wie die freie Natur in ihren zahllosen Gebilden und duldet das Joch der Schriftsprache nur ungern. So wünschen wir nur noch, daß diese "alten Geschichten" viele Leser und Hörer finden und denselben ähnliche Freude bringen mögen, als uns ihre Aufzeichnung bereitet hat, und senden allen treuen Mitarbeitern fern und nah unsern besten Gruß.

Hannover, 16. November 1853.

Theodor Colshorn.

-----

1) Dieses Märchen hat schon eine, wie wir glauben, treffliche Deutung gefunden durch Oskar Schade zu Bonn in seiner Schrift: "Die Sage von der heiligen Ursula." Hannover, Rümpler.

2) Dieses Märchen war uns natürlich lange bekannt; wir sahen indes erst nach dem Druck, also zu spät, daß es uns vielleicht ebenso gut aus Grimm's Märchen als aus Haupt's Zeitschrift bekannt geworden.

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, S. 254 - 256.