Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten!
Mündlich in Allersleben.
Vor nicht langer Zeit, ältere Leute haben's noch mit erlebt, mußte
die Kirche in Allersleben ausgebaut werden. Die Zimmerleute kamen auf
dieß und das zu sprechen und, weil sie eben in der Kirche waren,
auch auf Gott und Gottes Wort. Nun war einer unter ihnen, der war ein
rechter Heide und suchte alles Heilige gemein zu machen, ja, spottete
sogar über unsern Herrn und Heiland selber. Die anderen verwiesen
ihm das, wie sich's gebührt; er aber erwiderte: "Er thut mir
nichts, denn er ist gar nicht da und ist auch nie gewesen!" Damit
meinte der schnöde Mensch den heiligen Gottessohn. Und er nahm seine
Stichart, gieng zu dem hölzernen Kruzifix ob dem Altar und wollte
- den andern standen die Haare zu Berge - das Christusbild in die Seite
stechen. Während er aber das Eisen hob und dabei sprach: "So
wenig hier Blut kommt, so wenig ist je -" kehrte eine unsichtbare
Gewalt das Werkzeug gegen den Spötter selber, so daß es diesem
in die Seite fuhr, und das dunkle Blut hervorsprang. Und das Blut lief
immerzu und drang durch die dicksten Verbände und wurde immer dunkler
und dunkler und zuletzt ganz schwarz; der Spötter starb aber immer
nicht und konnte nicht zu Gnaden kommen. Er wurde auch hungerig und durstig;
aber was er aß und trank, kam alles aus der Wunde wieder heraus
und half ihm nichts. Zuletzt drang aus der Wunde nur noch eine dicke schwarze
Masse, und weil die so über alle Maßen ekelhaft roch, wurde
der gottlose Mensch auf einen Schweinekoben gesperrt. Da ist er am dritten
Tage unter schrecklichem Geheul verschieden. - Nach einem andern Erzähler
hat er dem heiligen Bilde den Stich wirklich beigebracht, und zwar unterhalb
des Knies; dafür ist dem Bösewicht selber von unsichtbarer Hand
am Knie eine Wunde geschlagen, aus welcher Blut sammt Speise und Trank
gefloßen.
Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover,
Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 56, S. 167.