St. Peter langweilt sich.

Mündlich in Platendorf.

Einst machte St. Peter traurige Geschäfte im Himmel; denn nur höchst selten wurde draußen angeklopft, und wenn es ja einmal geschah, wer kam herein? Ein altes Mütterchen war es oder dergleichen, und das hatte keine Lust, ihm was zu erzählen. So schnitt er immer ein verdrießlich Gesicht. Der Herr merkte es recht gut, und endlich fragte er ihn: "Was fehlt dir, Petrus? Du siehst ja aus, als hätte eben der Hahn gekräht!" St. Peter erschrak, als hätte eben der Hahn gekräht; als er sich aber wieder gefaßt hatte, sprach er: "Was mir fehlt? Die armen Menschenkinder dauern mich; die fahren gewis alle zum Teufel!" Der Herr lachte und erwiderte: "Was du doch ein weiches Herz hast!" "Das habe ich auch!" versetzte St. Peter; "o Herr, erlaube mir, daß ich einmal zusehe, weshalb kein Mensch mehr kommt! Ich will sie schon auf den rechten Weg bringen!" Der Herr wußte recht gut, was seinem Apostel fehle; er sagte indes nichts davon und antwortete: "Es ist im Augenblick nicht viel für dich zu thun, und wenn jemand kommen sollte, so kann er wohl ein bißchen warten; denn vor dem Himmel ist es auch so übel nicht. So geh auf die Erde und predige; komm aber in drei Tagen wieder. Den Schlüßel häng so lange an den Haken hinter der Thür." St. Peter machte ein pfiffig Gesicht, hieng den Schlüßel an den Haken, schlug die Thür zu, daß der ganze Himmel dröhnte, und gieng auf die Erde. - Auf Erden war es gerade in der Ernte, und weil so viel gewachsen war, und die Sonne so prächtig schien, war alles voller Freude. Als St. Peter sah, daß sie alle so lustig waren und immerfort sangen und tanzten, ohne sich um Gott und sein heilig Wort zu bekümmern, machte er erst ein ernst Gesicht und wollte predigen. Sie lachten ihn aber aus, luden ihn zu Fest und Schmaus, und so aß und trank er denn frisch drauf los mit den übrigen. Es starben zwar auch Menschen; sie waren aber bald vergeßen, und wieder war alles heiter und guter Dinge. Aus den drei Tagen wurden acht Tage und vierzehn, und erst als drei Wochen verfloßen waren, kehrte St. Peter zum Himmel zurück. Und von all' den Menschen, die während der drei Wochen verstorben waren, saß nur ein einziger auf der Bank vor dem Himmel, und das war eine arme Mutter, die ihr Kind suchte.

Wieder hatte St. Peter ein ganzes Jahr seines Amts gewartet und hatte viel Langweil gehabt; denn es hatten nur wenige bei ihm angeklopft, nicht, als ob keine gestorben wären, nein, sie hatten nur keine Zeit gehabt, fromm zu leben und selig zu sterben. Und St. Peter machte ein Gesicht wie vorm Jahr und bat den Herrn, noch einmal auf die Erde zu dürfen, um den armen Menschenkindern Gottes Wort zu predigen. Der Herr erlaubte es und sprach: "Bleibe unten, so lange du willst." - Als St. Peter auf die Erde kam, war es gerade wieder in der Ernte. Es war aber nur wenig gewachsen, und auch dieses kam nur spärlich ein, weil es fortwährend regnete. St. Peter gieng ins erste Dorf und predigte, und alle versammelten sich um ihn; und wo er einkehrte, wurde immer vor dem Eßen erst gebetet: "Jesu Christe, du frommer Gast, segne, was du bescheret hast!" und wo jemand starb, da war großes Herzeleid. St. Peter blieb dießmal nur drei Tage auf Erden; als er aber gen Himmel zurückkehrte, stand es so voll vor der Thür, daß er kaum durchkonnte, Jung und Alt, Reich und Arm bunt durch einander, und unter ihnen sogar ein Schneider. Es waren zwar nicht mehr Menschen gestorben in den drei Tagen, als vergangenes Jahr während der drei Wochen; alle hatten aber Zeit gehabt, fromm zu leben und selig zu sterben.

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 52, S. 161 - 162.