Das Heinzelmännchen
(Romantisch behandelt von Müller, Siegburg S. 167 etc.)
Einst lebte in der heiligen Reichsstadt Cölln [Köln] ein armer Schneiderlehrling, ein lustiger, fleißiger Bursche. Leider hatte er aber seiner Meisterstochter etwas zu tief in die Augen gesehen, und so kam es, daß er, als er, nachdem er ausgelernt hatte, das Haus seines Meisters verlassen und auf die Wanderschaft gehen sollte, nur mit schwerem Herzen davonzog, denn entdeckt hatte er sich der Jungfer Margarethe nicht, er wagte es nicht, weil er zu arm war. Nichts destoweniger verließ ihn das Bild des Mädchens nicht, wo er auch war, dachte er an sie und sah sie vor sich stehen, und so kam es denn, daß ihn diese geheime Liebe von manchen Thorheiten abhielt, welche junge Leute wie er sonst in der Fremde zu begehen pflegen.
Nach vierjähriger Abwesenheit zog es ihn aber doch zu sehr in seine Vaterstadt zurück, und so eilte er denn rüstigen Schrittes nach dem vielthürmigen Cölln zurück; er hatte von Frankfurt aus den Weg durchs Gebirge gewählt und war vom letzten Nachtlager schon vor Tages Anbruch aufgebrochen, um die Stadt noch bei guter Zeit zu erreichen. Nach einer viele Stunden anhaltenden eiligen Fußwanderung fühlte er sich um die Nachmittagsstunde aber so ermüdet, daß er beschloß, einige Zeit vor der Sonne Gluth im Schatten der hohen Bäume auszuruhen. Er warf also sein Ränzel ab und sich daneben in das hochschwellende Gras. Da gewahrte er plötzlich einen seltsamen Vorgang. In dichtverschlungenem Brombeergestrüpp kämpfte eine häßlich gelbe Kröte mit einer niedlichen goldschillernden Eidechse, die trotz ihrer Geschmeidigkeit dem Gegner nicht entgehen konnte, dergestalt hatte sie sich in dem Gestrüpp verfangen. Anfangs gefiel das Spiel dem Jünglinge, da er aber sah, daß die Eidechse zuletzt unterliegen mußte, sprang er auf und mit einem Schlage traf er die Kröte, daß sie kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Freundlich blickte ihn die Eidechse mit ihren klugen Aeuglein an, als ob sie ihm danken wollte. Auf einmal aber stand statt der Eidechse ein niedliches, kaum spannhohes Männlein vor ihm, dessen Haupt eine demantschimmernde Krone schmückte und von dessen Schultern ein grüngoldglänzendes Mäntelchen flatterte. Dankend nickte es ihm zu und wie es durch das Gestrüpp schlüpfte, rief es ihm mit einem feinen Stimmchen zu, er könne für immer auf den Dank des kleinen Heinzelmännchens – so nannte es sich selbst – zählen.
Der Schneider lachte über sich selbst, denn er glaubte, seine Einbildungskraft habe ihm einen Streich gespielt, und nachdem er sich mittlerweile auch hinreichend ausgeruht fühlte, setzte er seinen Weg wieder fort. Als aber die Sonne in ihrer ganzen Majestät hinter dem Dome niedersank, da hatte er auch das Thor des alten Cölln erreicht und sein erster Gang war natürlich nach dem Hause des Altmeisters. Ehe er aber dasselbe noch erreichte, besann er sich, daß jetzt gerade die Zeit sei, wo seine Geliebte an den Brunnen zu gehen pflegte um einige Augenblicke mit andern jungen Mädchen zu verplaudern. Und siehe, er hatte sich nicht geirrt, schon von weitem hatte sie ihn erblickt, sie rief ihm einen freudigen Willkommen zu, sprang ihm in die geöffneten Arme und so zogen sie denn Hand in Hand nach dem Hause ihres Vaters. Dieser aber stand schon vor der Thüre und war im Begriff, sein Töchterchen, die ihm zu lange ausgeblieben war, tüchtig auszuschelten, allein sein Gesicht glättete sich, als er sah, wen sie mitbrachte, freundlich bot er seinem frühern Lehrling die Hand und lud ihn ein mit ins Haus zu kommen und einen Willkommenbecher zur Feier seiner glücklichen Wiederkehr zu leeren. Nachdem dies geschehen, forderte er ihn auf, wieder als Gesell in seiner Werkstatt thätig zu sein und man kann sich wohl denken, daß dieses Anerbieten gern angenommen ward. Natürlich sahen sich die Liebenden nun täglich und so dauerte es auch nicht lange, und sie gestanden dem Altmeister ihre Liebe, derselbe nahm es auch sehr günstig auf und versprach dem jungen Manne, ihn als Teilnehmer in seinem Geschäfte aufnehmen zu wollen.
Mittlerweile ward aber der Altmeister, weil er einer der wohlhabendsten Mitglieder der Cöllner Schneiderzunft war, zum Bannerherrn derselben erwählt und diese Standeserhöhung machte ihm den Kopf vor Eitelkeit schwindelig, sodaß ihm bald der einfache Schneidergeselle als zukünftiger Mann seiner Tochter nicht genug war. Dazu kam noch, daß sich in der Person eines schon bejahrten, aber reichen Procurators ein Freier für sie fand, und so kam es, daß der Altmeister seinen Sinn änderte und schließlich dem Gesellen kurzweg erklärte, er könne nun seine Tochter nicht zur Frau bekommen, da er für sie einen andern Mann gefunden. Alles Bitten und Flehen der beiden Liebenden half nichts, der Vater blieb unerbittlich, und so blieb dem armen Burschen nichts übrig, als abermals sein Bündel zu schnüren und in die Fremde zu gehen. Vorher aber hatten sie sich noch für den Abend ein letztes Stelldichein in einer Laube des väterlichen Gartens gegeben, und als sie eben mit Thränen und Jammern von einander Abschied nehmen wollten, da erblickte der Jüngling auf dem Rasen die grün- und goldschillernde Eidechse wieder, die ihm mit ihrem feinen Stimmchen zurief, er solle nur dem Heinzelmännchen vertrauen. Der Geselle theilte nun seinem Mädchen die sonderbare Geschichte mit und beide jubelten schon vor freudiger Hoffnung, da trat auf einmal der Alte in den Garten, und trieb den Jüngling mit schweren Scheltworten aus dem Garten und das Mädchen in ihre Kammer, wo er sie fest einriegelte. Er selbst aber begab sich auch in sein Schlafgemach, warf sich aufs Bett und versank bald in tiefen Schlaf. Hier sah er schon im Traume sich mitten bei dem Hochzeitmahle, da wachte er plötzlich auf, es war ihm als ob er von tausend Nadeln am ganzen Körper zerstochen würde, er wollte aufspringen, da kam es ihm vor, als wenn hundert unsichtbare Knüppel auf ihn losschlügen, er wollte aus dem Zimmer, da hielten ihn eiserne Krallen an allen Theilen seines Körpers fest. Dieses Zwicken, Kneipen, Stechen und Schlagen wollte gar kein Ende nehmen, bis er endlich in seiner Seelenangst sich selbst gelobte, er wolle, wenn dies aufhöre, seinen Sinn ändern und der Heirath seiner Tochter mit ihrem frühern Bräutigam nicht entgegen sein. Kaum hatte jedoch die Marter aufgehört, so änderte er auch wieder seine Gesinnung und bereute, was er gelobt hatte, aber augenblicklich fingen auch die unsichtbaren Quälgeister ihr Treiben wieder von Neuem an, bis er endlich vor Müdigkeit und Abspannung in einen tiefen Schlaf verfiel, der bis zum Morgen anhielt.
Erwacht hielt er alles so lange für einen Traum, bis ihn die Fragen seiner Tochter und Gesellen, warum er im Gesichte so braun und blau aussehe, eines Besseren belehrten. Er wußte auf Befragen nichts anderes zu erwidern, als er sei im Schlafe aus seinem Bette gefallen. Mittlerweile kam ihm aber doch immer wieder der Gedanke, er brauche sein im Stillen den Quälgeistern gegebenes Versprechen nicht zu halten, aber siehe da augenblicklich fing das Stechen, Schlagen und Kneipen wieder an, so daß er wie besessen auf von seinem Stuhle und in der Stube herumsprang, so daß die Anwesenden, die aber nichts sahen, glaubten, er habe den St. Veitstanz. Er beschloß also sich aufzumachen und zu seinem künftigen Schwiegersohne ins Haus zu gehen und ihm zu sagen, daß es mit der Heirath nichts werden könne. Wie ward ihm aber, als ihm an der Thürschwelle derselbe mit einem ebenso braun und blau geschwollenen Gesicht entgegentrat und ihm mit bitterbösen Worten die Verlobung aufkündigte und geradezu erklärte, die Tochter eines Schneiders sei ihm bei näherer Erwägung viel zu schlecht. Er rief also, nachdem er jenen zornig aus dem Hause verwiesen, seine Tochter herbei und befahl ihr, ihren frühern Bräutigam herbeizuschaffen, und als derselbe gekommen war, erklärte er ihnen rund heraus, heirathen könnten sie sich, aber um die Ausstattung, Hochzeit und alles Andere möge sich der Bräutigam selbst kümmern, er werde auch nicht einen Pfennig dazu geben, und ebenso wenig werde er für ihr weiteres Fortkommen sorgen, sie möchten sich also dann forthelfen, so gut sie es vermöchten, er wolle und könne nichts weiter für sie thun.
Da war nun freilich guter Rath theuer, zu einem Kleide für die Braut wäre freilich leicht Rath geworden, denn die Jungfrau Margarethe hatte eine reiche Garderobe und da ließ sich leicht irgend ein Kleid zu einem Brautkleide verwenden, allein damit war es nicht abgethan, eine Hochzeit kostet Geld, und der Bräutigam hatte nichts als seine zwei Hände und wenige Sparpfennige. Da dachte er, der kleine Heinzelmann mag Dir helfen, und so nahm er denn wenige Tage vor der bereits angesetzten Hochzeit Abschied von seiner Braut, angeblich um einige Familiengeschäfte in Ordnung zu bringen. Das war aber nur ein Vorwand, denn er marschirte wieder ins Siebengebirge und als die Sonne im Mittag stand, da war er wieder auf der Berghalde angelangt, wo er vor nun mehr denn einem Jahre das Abenteuer mit der Eidechse bestanden hatte. Und siehe die Eidechse war auch wieder da und gleichzeitig auch das kleine Männlein mit dem grüngoldenen Mantel, der Krone und dem Scepter. Dasselbe nickte ihm freundlich zu mit dem Bedeuten, daß er ihm folgen solle und so ging es denn durch Schluchten und Gründe immer tiefer ins Gebirge bis dahin, wo der Auelberg und die Rosenau sich mit ihren Abhängen treffen und ein wildes Gerölle nach einem jähen Abgrunde führt. Der kleine Zwerg kletterte hinab, nicht ohne Anstrengung versuchte es auch der Schneider und befand sich bald in einem wunderschönen Garten, vor einem hohen Felsenthore, das mit gewaltigen Thürflügeln verschlossen war. Der Heinzelmann berührte mit seinem demantnen Scepter das eherne Thor und mit lautem Tone, der wunderbar durch die Thäler schallte, flog es auf. Im Innern aber glänzte und blitzte Alles von Gold und Edelsteinen, schüchtern trat der junge Mann hinein und sah, wie eine Menge kleiner Männlein geschäftig hin und her liefen und bald Goldmünzen, bald goldene und silberne Gefäße, bald große Stücke edeln Metalls von einer Seite des Saales nach der andern trugen. Im Hintergrunde aber stand ein Königsthron aus einem Edelstein geschnitten, der in dem glänzendsten Farbenreichthum schillerte und von dem ein blendendes Licht über das ganze Gewölbe ausströmte. Auf diesen setzte sich der Heinzelmann und rief den Jüngling an seine Seite, die kleinen Gnomen aber liefen ihm nach und brachten ihm Goldstücke und Edelsteine, die sie ihm lachend in die Taschen steckten. Dann aber nahmen sie ihn bei den Händen und führten ihn durch die weiten Hallen des unterirdischen Palastes, um ihm die Schätze desselben zu zeigen. Bald aber wurde der Jüngling vom allzuvielen Sehen müde und legte sich auf eine Ruhebank von Krystall nieder, wo er bald in einen so süßen Schlaf sank, als liege er auf dem weichsten Bette.
Als er erwachte lag er aber unter derselben Buche, wo er sich zuerst niedergelassen hatte und hielt alles Gesehene so lange für einen Traum, bis er aufstand, denn da fühlte er an der Schwere seiner Taschen, daß allerdings die Goldstücke, die er geschenkt bekommen hatte, keine Spiegelfechterei, sondern Wirklichkeit waren. Fröhlich eilte er trotz seiner Last nach Cölln zurück und in die Arme seiner Braut. Zwar sollte schon am folgenden Tage Hochzeit sein, allein da besann er sich auf einmal, daß er die Hauptsache ganz vergessen hatte. Er konnte doch nicht als Geselle ans Altar treten und doch ging es nicht anders, denn er hatte vergessen das Meisterstück fertig zu machen. Zwar versuchte er es an dem darauf folgenden Tage zu beenden, aber er konnte nicht damit zurechtkommen und sein Plan, die Nacht zu arbeiten, ward auch zu Wasser, denn vor Müdigkeit von dem langen und sauren Heimwege fielen ihm die Augen zu. Aber wie ward ihm, als er am folgenden Morgen erwachte, das Meisterstück war fertig. Feenhände hatten es die Nacht über fertig gemacht und so vortrefflich, daß der Altmeister nicht genug des Lobes über dieses ausgezeichnete Stück Arbeit auszusprechen wußte.
So konnte denn am andern Morgen die Hochzeit wirklich stattfinden. Nachdem dieselbe vorüber war, begab sich der Brautzug nach dem sogenannten Quattermarkt, wo wohlhabende Bürger, die aber selbst nicht zu solchen Festlichkeiten Raum in ihren Häusern hatten, dieselben abzuhalten pflegten. Und wie war alles eingerichtet! Die feinsten Speisen und Weine wurden in silbernen Schüsseln und Pokalen auf mit kostbaren Damastleinen bedeckten Tischen aufgetragen und Alle mußten gestehen, daß weder bei dem Kurfürsten noch den Domherrn kostbarer und besser getrunken noch gegessen werden möge. Braut und Brautvater begriffen nicht, wo der junge Ehemann das Geld zu diesem Festmahle hergenommen haben könne, Letzterer aber wußte wohl, wer hier den Zahlmeister gemacht haben müsse. Wie es die Sitte wollte, wurde das Brautpaar von allen Hochzeitern unter lautem Jubel mit Fackelschein bis nach seiner künftigen Wohnung begleitet, und nachdem der Braut hier eine Feuerlade und ein Schmutzkorb und die übrigen Brautgeschenke unter den gewöhnlichen Scherzreden und Späßen übergeben worden waren, nahm Alles Abschied.
Als nun das junge Ehepaar allein war, da wartete aber eine neue Ueberraschung auf dasselbe, denn als die junge Frau in die Küche trat, da glänzte ihr das schönste und blankste Zinn- und Kupfergeschirr aus derselben entgegen und ebenso lachte sie das weißeste Linnenzeug aus den weitgeöffneten Schreinen an.
Unser Pärchen lebte nun selig in seinem Glücke dahin. Es war aber auch eine Lust zu sehen, wie in der kleinen Wirthschaft Alles wie an einem Fädchen ging. Wenn die junge Frau aufstand, fand sie das Haus vom Boden bis zum Keller gereinigt, alles den Tag über gebrauchte Geschirr aufgeräumt, die Wäsche gewaschen und zu kochen brauchte sie auch nicht, denn ehe sie es sich versah, waren zu Mittag die Speisen auf dem Heerde zubereitet und dann wieder die Töpfe und Schüsseln aufgewaschen. Mit der bekannten weiblichen Neugier drang sie in ihren Mann ihr zu sagen, wem sie denn eigentlich diese Ordnung im Hause verdankten, und in einer schwachen Stunde gestand er ihr, daß er allerdings glaube, daß es die guten Heinzelmännchen wären, die ihnen alle Arbeiten abnähmen. Ganz dasselbe fand aber in seiner Werkstätte statt. Obgleich seine Kunden täglich zahlreicher wurden, so konnte er doch mit einem Lehrjungen ohne Mühe sein Geschäft allein besorgen, denn wie in der Küche arbeiteten die Heinzelmännchen in der Nacht auch in seiner Arbeitsstube. Sie nähten, steppten und bügelten, daß es eine Lust war und jeden Morgen hing die Arbeit, die Abends noch nicht zugeschnitten war, fertig an dem Wandpflock.
Als aber ein Jährlein ins Land gegangen war, da hatte sich auch die Familie des jungen Ehepaares um eine Person vermehrt, einen dicken, muntern Burschen hatte der Storch ins Haus gebracht und wie die Heinzelmännchen bisher die Wirthschaft und Schneiderei besorgt hatten, so nahmen sie sich nun in der Nacht der Erziehung des jungen Weltbürgers an und dieser gedieh nunmehr herrlich bei dieser Pflege. Hatte aber bis dahin die junge Frau immer ihre Neugierde bezwungen, allein jetzt vermochte sie es nicht länger zu ertragen, sie mußte sehen wie die kleinen Männchen ausschauten, von denen sie ahnete, daß sie die Wohlthäter ihres Hauses waren. Da kam sie auf den unglücklichen Gedanken, weil allemal, wenn sie des Nachts in der Küche und der Werkstätte die Kleinen hatte überraschen wollen, dieselben schnell wie der Wind auseinandergestoben waren, an einem Pfingstabend, wo sie wußte, daß die Kleinen das ganze Haus zu putzen und zu reinigen pflegten, die ganze Treppe von oben bis unten mit Erbsen zu bestreuen, in der Erwartung, daß die Kleinen darüber fallen müßten und so ihrer Neugierde nicht entgehen könnten. Mit vor Angst und Erwartung hochschlagendem Herzen legte sie sich nieder, als aber die Mitternachtstunde schlug, die Zeit, wo die Kleinen gewöhnlich ihre Arbeit begannen, da horchte und lauschte sie, ob sich etwas auf der Treppe rege. Als sie aber jetzt die Erbsen wie Hagelkörner die Treppe herabkollern hörte, da ergriff sie die Lampe, öffnete die Thüre ihres Schlafzimmers und trat heraus. Noch sah sie nichts, nachdem sie aber einige Schritte hinuntergestiegen, da polterte es auf einmal um sie her mit lautem Gestöhne und Aechzen und ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihr, als sie die kleinen kaum spannhohen Männlein und Weiblein die Treppe herabrollen sah. In ihrer Arbeit gestört wollten sie fliehen, um in den Wandlöchern und Mauerritzen Schutz zu suchen vor der Ueberraschung, aber in der Eile der Flucht glitten sie über die Erbsen aus und stürzten mit jämmerlichem Schmerzensgeheul die Stufen hinab.
In dem Augenblicke, als sie entsetzt die Treppe hinabsah, trat ihr Gatte aus dem Schlafgemach und rief zornig: »Gretchen, was hast Du angerichtet? Du hast unser Glück aus unserem Hause vertrieben!«
Es kam aber genau so, wie Heinrich vorhergesehen hatte, die Heinzelmännchen waren und blieben fort, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche harrte man ihrer vergebens. In derselben Nacht aber, wo Gretchens Neugierde die freundlichen Kleinen verscheucht hatte, war am Ufer des Rheins ein buntes reges Treiben, aus allen Kanälen wimmelte es von den spannhohen Männlein, die ihre ganze Habe mit sich schleppten und sich eilten und sputeten, um noch vor dem ersten Scheine des Tages ein Schiff zu erreichen, das dazu bestimmt war, sie wegzuführen. Als sie Alle am Bord des Schiffes waren, hörte man ein leises Wimmern und Schluchzen, ein Zeichen, daß die Kleinen nicht gern von Cölln schieden. Sie fuhren fort, Niemand weiß, wohin; mit ihnen aber soll, wie die Sage geht, die alte gute Zeit verschwunden sein.
Quelle: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des Preußischen Staats, Zweiter Band, Glogau 1868/71