DAS STEINERNE BROT

Im Dreißigjährigen Kriege wurde das Brot so rar, dass selbst der reichste Bauer in Alflen seinen Ältesten ins Martertal zum Kloster schickte, bei den Brüdern dort etwas gegen den ärgsten Hunger zu erbetteln. Der Junge bekam auch einen ganzen großen Laib und ging vergnügt damit heim. Als er an die Endertbrücke kam, saß da ein Weib mit einem kleinen Kinde, so matt vor Hunger, dass sie nicht mehr bis zum Kloster hinaufkonnte, und flehte ihn um ein Stück Brot an. Aber er ging weiter und sagte, er hätte überhaupt kein Brot, er hätte bloß eine Wacke geholt zum Beschweren für das Kraut, das sie zu Hause eingeschnitten hätten. Um nicht noch einmal angebettelt zu werden, ging er von der Straße herunter querfeldein nach Hause.

Als aber der Vater dann das Brot anschneiden wollte und die hungrigen Geschwister sich schon freuten, da wollte das Messer nicht in das Brot gehen; das war zu Stein geworden. Da erschrak der Bursche; ihm fiel ein, was er der armen Frau vorgelogen hatte. Und als er 's dem Vater sagte, schickte ihn der sofort zurück nach der Brücke. Erfand auch die Mutter mit dem Kleinen noch, aber sie waren tot. Da ging er zum Kloster hinauf, beichtete seine Sünde und bat, sie möchten ihn aufnehmen für immer; er wolle auch die härteste und niedrigste Arbeit tun. Nach einigen Tagen durfte er auch ins Kloster kommen und er brachte das steinerne Brot mit. Der Prior ließ es in der Kirche aufbewahren, sodass alle Leute, die dahin kamen, es sehen konnten. Als später die Kirche zerfiel, ist es mit verschüttet.


Quelle: Paul Zaunert, Rheinland-Sagen, 1924