DER MILCHSUPPENACKER
Der Milchsuppenacker bei Mühlhausen im Elsass war eine große Heide und das einzige Besitztum einer alten Frau, die sich von seinem spärlichen Ertrage während vieler Jahre kümmerlich ernährte. Da brachen Fehljahre herein, die eine große Teuerung aller Lebensmittel herbeiführten. Die alte Frau, die längst nichts mehr zu ernten hatte, geriet an den Bettelstab, und da der größte Teil der Bürgerschaft selbst verarmt war, so konnte ihr niemand aus der Not helfen. Da klopfte sie eines Morgens, von furchtbarstem Hunger gepeinigt und vor Kälte zitternd, an das Pförtlein des Spitals und bat um ein warmes Milchsüpplein. Sie wolle ja gern, sagte sie, ihr Ein und Alles, nämlich ihre Heide, dafür hingeben. Der Spitalmeister hatte Mitleid mit dem armen Weibe. Er bewirtete sie alsbald mit einer vortrefflichen Milchsuppe und versprach, auch weiterhin für sie zu sorgen. Als die Alte ihre Speise genossen hatte, schlummerte sie ein und erwachte nicht wieder. Das verkommene Heidestück wurde nach und nach durch den Fleiß der Spitalleute und mit Gottes Segen in einen schönen, großen Obstgarten umgewandelt.
Quelle: Fritz Bouchholz, Elsässische Stammeskunde,
1944