74. Rübezahl bekränzt einen Musikanten.
Ein Studente aus Schlesien, allhier einer von meinen gewesenen Kollegen, schwatzet mir vor, wie vor diesen ein gelehrter Bursche mit seiner Laute aufs Gebürgt gegangen sei, in Willens, dem Rübezahl eine Musik zu bringen, alldieweil er, seinem Einbilden nach, gemeinet, er wäre einer von den besten Lautenisten und möchte also wohl ein gut Trinkgeld zur Belohnung, nach seiner Wohlgesonnenheit, darvon bringen. Wie er nun auf dem Gebürge [Gebirge] etwas war förder gegangen, da hatte er in der Nähe einen herrlichen Palast gesehen. Da hinzu war er genahet, hatte seine Laute zur Hand genommen und allgemählich ein bißchen aufgespielet; drüber ein vornehmer Mann daraus gekommen, ihn angesehen und gefraget, was seine Intention wäre? Darzu der erschrockene Stimper geantwortet: Sein Diener, Monsieur! ich bin wohlmeinend hieher gekommen, dem Herrn eins aufzumachen und meine Kunst hören zu lassen. Mit welchen Worten er gleich seinen Futterkorb bei der Kartause gekrieget und eins hergeleiert hat. Bald drauf, wie der Rübezahl ein wenig zugehört hatte, hat er sich umgekehret und aus seinem Schlosse etliche andere Musikanten herausgepfiffen, die sich flugs hervorgefunden und über alle Maßen auf ihren Lauten gespielet haben, also, daß sich der vorige Musikant selber hat müssen schämen, daß er sich vorher berühmet gehabt, etwas Sonderliches in seiner Kunst zu leisten, welche doch in Gegenhaltung der andern nichts gewesen und schier gelautet hat, wie man Dreck mit Peitschen hiebe. War also nicht allein betrübt geworden, sondern hatte sich auch schämend auf die Hinterfüße gemacht und heimlich darvonschleichen wollen. Wie es der Rübezahl gemerket, soll er ihm zugeredet haben, sprechende: Guter Kerl, damit du deine Mühewaltung nicht umsonst angewandt habest, so marschiere hin zu jenem Baume, da wirst du viel Kränze hangen sehen; darvon nimm nur einen und keinen mehr, und gehe darmit deiner Wege und lerne hinführo ein Bessers! Und hiemit hat er sein Brabeum geholet und, nach dem gegenwärtigen Augenschein, den besten Kranz runtergelanget, welcher aber der schlechteste gewesen, dem andern Bedünken nach, wie er ihn in der Hand gehabt; doch war er gleichwohl darmit zufrieden gewesen und darvongegangen. Wie er ihn aber in der nächsten Herberge betrachtet, da hat er gesehen, daß es lauter Gold und Edelsteine gewesen.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 69
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