99. Rübezahl verkehret seine Handschrift.
Ein unbillicher Wucherer brachte in ein bekanntes Städtchen ein Fuder Korn gefahren, welches er mitten auf dem Markte zu kaufen stellete. Hiezu kam der Rübezahl gegangen, gab sich für einen Ratsherrn aus und handelte das Korn an sich, ließ es auch in sein Haus fahren und zahlete dem Verkäufer etwas Geld drauf; vor das übrige wurden sie eins, daß der Ratsherr auf eine gewisse und benamte Zeit zahlen wollte, mit einer verfertigten Handschrift, die er überreichete und in Gegenwart noch anderer Personen vom Verkäufer verlesen ließ und mit nach Hause gab. Was geschicht? Wie die Zeit verlaufen war, da kömmt der Kornhändler mit seiner Handschrift aufgezogen und tat Ansuchung wegen des gestundeten Geldes. Hierzu sprach der Ratsherr: Ja, was die Handschrift vermag, so Ihr bei Euch habet, leset sie wieder ab! Siehe, da war die Sache ganz verkehrt, und kam dieses heraus, daß sich der Verkäufer anmeldete, als wäre er dem Ratsherrn 40 Taler schuldig, die er jetzt zahlen müßte und gerne wollte. Hierüber erschrak der geldgeizige Wucher; doch mußte er, weil er sich mit seinen eigenen Wörtern geschlagen und gefangen hatte, die Zahlung leisten, sich gewonnen geben und eine würkliche Buße tun wegen seines Schindens und Schadens, so er an andere Unnützigere ausgeübet gehabt.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 97f
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