86. Rübezahl wird ein Holzhacker.
Einsmals soll dieses Betrügnis zu einem Bürger in Hirschberg, der einen Tagelöhner bedürftig gewesen, angekommen sein; hat seine Dienste zum Holzhacken präsentieret und vor die Bemühung nicht mehr als nur eine Hucke Holz gefordert. Dieses alles heißet der Hauswirt gut, gehet den Vorschlag ein und zeiget ihm etliche viel Fuder, darbei gedenkende, er wolle ihm noch etliche Mitgehülfen zugesellen. Aber hierzu spricht der Rübezahl: Nein, es ist unnötig; ich will es alles selber wohl alleine bezwingen. Daraufredet ihn der Herr noch ferner an, fragende: wo er denn die Axt habe? Sintemal er keine bei dem gedungenen Knechte vermerkte. Darauf antwortete der Rübezahl: Ich will bald eine kriegen. Und erwischte hiemit sein linkes Bein, zog solches mit dem Fuße aus den Lenden heraus und hieb, wie er toll und rasend wäre, wider drauf erfolgende Verhinderung alles Holz in einer Viertelstunde gar kurz und in kleine Scheite; dazu sich sein ausgerissener Fuß viel tausendmal hurtiger als die schärfste Axt erzeigete. Immittelst aber rief der Hauswirt immer, was er rufen konnte (weil er flugs Unrats vermerkte), daß der abenteuerliche Hacker einhalten sollte und sich aus dem Hofe packen. Der Rübezahl aber sagte immer: Nein, ich will nicht aus der Stelle weichen, ehe ich mein Holz klein gemacht habe und mein Lohn davon trage. Und unter solchem Gezanke ward der Rübezahl gleich fertig, steckte sein Bein wieder hinein (indem er vorher nur auf dem einen nach Storchsmanier gestanden) und sackete alles geschlagene Holz über einen Haufen auf seinen Buckel (es waren aber bei vier Klafter) und spazierete für allen Hänger zur selb beliebten Belohnung hiemit davon, ließ den Wirt schreien und wehklagen, so viel er immer wollte. Worumb aber? ist denn dieser Geist so unbillich und schadhaft? Nein, sondern Gott verhängte ihm, die Ungerechtigkeit bisweilen an den boshaftigen Menschen zu strafen. Nämlich, der gedachte Wirt hatte das vorige Holz aus der Ferne durch etliche arme Bauren zu sich fahren lassen, umb ein gewisses Lohn, welches aber der meineidische Mensch, leider! den bedienten und den darauf wartenden Bauren nicht gehalten hat, indem er sie nur mit der Nase herumgeführet und das Maul geschmieret hat. Ferner soll man auch darauf gehöret haben, daß dieser Rübezahl sein entführetes Holz den abgewiesenen Bauren einzeln vors Haus geworfen habe, es ihnen verehret und etlichen die Sache dabei nebenst der Rache erzählet haben.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 82f
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