97. Rübezahl hütet Schafe.
Anno 45 dieses seculi sind zwei Metzger aus Böhmen in Schlesien über das Gebürge [Gebirge] gegangen, da haben sie in der Nähe einen Hirten mit wackern großen und fetten Schafen weiden gesehen. Weil sie nun im Wandern darauf bedacht gewesen, daß sie ein Stück oder etliches kleines Viehes verschaffen und nach Hause bringen möchten, siehe, so gehen sie in solchen Gedanken nach den erblickten Schäfer hin und handeln umb ein Dutzend Hämmel: drüber sie auch endlich eins worden und das Geld eilens bar zahlen, weil sie gar wohlfeil denen Verkäufern angekommen und gedeuchtet hatten.
Nach geschehener Handlung verlassen sie den Corydonischen Rübezahl und treiben ihre Hämmel immer für sich hin. Aber wie sie eine Ecke fortgeraten waren, da trägt es sich zu, daß ein fremder Hund hinter sie hergesprungen kömmt; nach solchem sehen sich die alberne Schöpse umb und wollen sich für den anfallenden Straßenröckel ihrer Haut wehren. Aber wie sie sich rücklings umsehen, da fehlet erstlich der befürchtende Hund; als sie sich aber wieder vorwärts wenden, da mangeln die Hammel, und sind aller Sachen beraubet, indem sie auch hierüber ihre vorige Barschaft dem Rübezahl zugewendet hatten. Nach erfahrnem Betrug fangen die Metzger greulich an zu schmälen und auf den Vervorteiler zu schelten, da der Rübezahl sich alsobald nicht faul hat finden lassen, sondern die diebischen Lästerer unerhört ausgepanzerfeget und höhnisch durchgezogen hat. Unter andern sprechende: Ihr schlimme Hudler, euch ist gar recht geschehen, daß ihr anjetzo ein wenig von eurer Schinderei eingebüßet habt; wer hat euch geheißen, daß ihr im Verkaufen die Leute übersetzen sollet, daß ihr die Beine vor Fleisch mit verkaufet und in eure Würste lauter Blut und Schweiß einfüllet, welches ihr Schelme und Lästerbuben kaum selber fresset, wenn euch auch schon die größte Hungersnot betreffe. Warumb leget ihr vorteilhaftigen Lümmel allerhand Lümmelwerk, Leber und Lunge und allerhand Quark, zu guten Fleische, daß ihr es nur miteinander los werdet und den Leuten Gut- und Böses beischmieret? Traun, von diesen Hammeln sollt ihr wohl keinen ungebührlichen Pfennig sammeln; von meinen Schafen sollt ihr euch nichts verschaffen. Geht, ihr Bauerflegel, und gebet, was das Fleisch wieget: verkaufet dem Lunge, der Lunge haben will, und demselben Fleisch, der lauter Fleisch begehret; die Beine und das Blut, das fresset ihr Galgendiebe selber in den Hals hinein und betrüget keinen redlichen Menschen damit! Bishero die Ausfensterung des Rübezahls, welche ich von einem Metzgerjungen, der damals bei den Lästerern gewesen, eigentlich vernommen habe (und von sie umb all die Wunden sonsten wohl nicht würde erfahren haben, so ferne es mir ihr Schafmatz nicht verständiget hätte). Wo sind aber die Lästerer geblieben? Wo sie nicht fortgegangen sein, so stehen sie noch da und werden vielleicht von dem Rübezahl noch ein wenig drüber geprügelt; wie ich mich denn bedünken lasse, daß ich gleich eines Ochsen Stimme höre, der sich über die Schläge beklaget.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 95f
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