98. Rübezahl karnisselt einen Bäcker was ab.
Anno 1658 soll der schlesische Wundergeist nach Hirschberg gegangen sein und allda bei einem berüchtigten Bäcker allerhand Gattungen Brot eingekauft haben, welches der leichtfertige Geselle miteinander über die Maßen sehr hatte aufschwellen oder blähen lassen und mit den hineingetanen Hefen unbillicher Maßen in die Höhe getrieben und locker gemacht hatte. Von dieser Materie nimmt der verstellete Rübezahl die betrüglichsten Stücke zu sich und verschaffet gleich zur Stunde ein Gewerbe, daß der Bäcker über das Gebürgt dieselbe Zeit reisen mußte. Wie nun dieser Bäcker gleich auf des Rübezahls seinen erkorenen Platz geraten, siehe, da kömmt der Rübezahl in voriger Gestalt mit seinen Semmeln und andern eingekauften Brote herfür, präsentieret darneben einen gedeckten Tisch und heißt den gegenwärtigen Bäcken niedersitzen: sänget allerhand Diskurs mit dem Ölgötzen an und fraget auch endlich von ihm: ob's möglich sei, weil man das Gewissen an einen Nagel hängen könne, daß man auch die Seele ins Brot zu backen vermöchte? Darauf erstarrte der ihm übel bewußte und nunmehr bestürzte Bäcker-Kuntze; und konnte kein Wort hervorbringen, weil er sich mit gegenwärtigem Brote in seinem sündhaftigen Herzen überzeuget befand. Rübezahl aber hingegen fing weiter an, und indem er die Semmeln aufbrach und die hohlen Löcher zeigete, sprach er: Siehe, in diesen Klüften steckt deine Seele; in dieses Brot hastu sie hineingebacken. Und weil du mir nunmehr dein Brot verkaufet hast, so hastu auch zugleich deine Seele drinnen verkaufschlaget, verhandelt und verhudelt. Darauf stellte er sich ungebärdiger und tastete den Bäcker bei der Kartause an, sich erzeigende, als wollte er ihn hinwegreißen oder gar in Stücken zerreißen, wiewohl er ihn nur was druckte, Maultaschen austeilete und so viel harte Schläge zubrachte, als der Übeltäter große Löcher im Brote hatte aufquellen lassen. Drüber denn der Bäcker greulich zu schreien begunnte und mit einem Schwur beteurete, daß er sein Lebenlang nicht mehr das Brot so vorteilhaftig und betrüglich backen wollen, sondern es derber kneten, dichter und an sich selber größer machen gesonnen wäre. Hierauf ließ er den Brotdieb laufen, sagende: Wo du dich nicht besserst, so will ich dich auf eine andere Art zausen.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 96f
© digitale Version: www.SAGEN.at