91. Rübezahl kauft einem Bauren Korn ab.
Es hat unlängst ein Bauer seinen Wagen ziemlich mit Korn beladen, und solches über das Gebürge [Gebirge] führen wollen, etwan in Böhmen es zu verkaufen. Unterwegens aber, nämlich auf dem Gebürgt, kömmt der Rübezahl zu ihm in Gestalt eines Hauswirts. Fraget, was er aufgeladen. Der Bauersmann antwortet: Ich habe Korn, solches gedenke ich loszuschlagen und Geld dafür zu machen. Rübezahl fraget weiters, ob er's ihme nicht verkaufen wolle, so wolle er ihm geben, was er begehre. Drauf antwortet der Bauer (welcher flugs verspürete, es müsse Rübezahl sein, ließ sich aber nichts darbei merken, weil er wohl wußte, daß ihm nichts widerfahren würde, wenn er es gut würde meinen und machen; ja, er bildete sich bald ein, daß er noch wohl einen großen Schatz darvonbringen möchte): er wolle es ihm gar gerne überlassen und begehrte auch nichts zu fordern; er möchte bekommen, was es sein würde. Drauf heißt der Rübezahl ihn mitfahren. Und nachdem sie ein wenig fürter gekommen, präsentieret der tausendkünstliche Rübezahl etwan eine Behausung: darin muß der Bauer hineinfahren und das Korn abwerfen. Hernach führete er ihn in einen tiefen Keller, woraus er mit diesem Bauren alle Kornsäcke voll (so der Rübezahl geschwinde, ich weiß nicht mit was, angefüllet hatte) hilft tragen und auf den Wagen laden, welche er zum Rekompens lieferte, darbei sagende: er sollte damit nach Hause fahren, doch solle er nicht etwan einen Sack aus Vorwitz auflösen; er solle vielmehr, wenn er nicht aufn Wege könnte fortkommen, einen ganzen Sack unaufgebunden abwerfen. Was geschickt? Der Bauer fähret in frohem Mute fort, und der Rübezahl hilft auch eine Meile fortschieben, weil die Last allgemählich sich bezeigete schwer zu sein. Doch gehet endlich der Rübezahl darvon und läßt den Bauer alleine fahren: welcher zwar eine Weile kann fortkommen, hernach aber bestecken bleibet, indem die Pferde durchaus nicht aus der Stelle den Wagen vor Schwerheit bringen mögen. Da sänget der Bauer an abzuladen und wirft nach empfangenen Befehl gehorsamlich einen Sack herunter, und fährt mit den andern fort. Doch ist er abermal kaum einen Steinwurf förder geraten, da wird er nochmaln genötiget, weil das Viehe anfänget zu schwitzen, einen neuen Sack hinwegzuräumen. Worauf er dann wieder befindet, daß der Wagen in etwas erleuchtert geworden; fähret also von bannen. Doch geschiehet es abermal nicht lange hernach, daß er den dritten, vierte» und fünften Sack nacheinander vom Wagen stürzen muß und zuletzt nur einen behält: womit er denn gewiß gedenket nach Hause zu kommen. Aber es gerät auf die vorige Art auch mit diesem Sack, sintemal er ebenmäßig dem Viehe zu schwer wird, daß er auch feste aufm Wege stecken blieb. Drüber ergrimmete endlich der gute und also geizige Bauer und fluchte aus Ungeduld etliche tausend Teufel auf den Rübezahl los, daß er ihn nunmehr so sehr betrogen hätte; steiget auch aufn Wagen und will gleichwohl endlich wissen, was im Sacke ist: löset ihn auf und findet lauter schwarz Zeug, das etwa wie Kohlen ausgesehen hat. Solches schüttet er alles miteinander auf die Erde und fähret mit dem einen ledigen Sacke nach Hause. Wie er aber daheime ist und ihm die Grillen in Kopf kommen wegen Verlust des Korns und der Säcke, da nimmt er diesen letzten Sack noch einmal für und will ihn recht ausstauben, damit er nicht schwarz bleibe. Aber was geschicht? Da fallen aus solchem Sacke haufenweise viel Körner gediegen Goldes; darüber der Bauer lustig wird, die Körner zusammensammelt und nach dem Wert gar viel über den Verlust prosperieret befunden, bedaurende, daß er es alles aus dem letzten Sacke geschüttet und nicht etwan ein halb Maß drinne behalten habe, welches vielleicht jetzo lauter Gold wäre. Aber in diesen Gedanken ist der einfältige Schöps wohl betrogen geworden: sintemal ich meines Achtens dafür halte, daß wohl nichts mehr in allen Säcken als diese oermeinte übergebliebene Körnlein gewesen sein: indem den übrigen Raum, zweifelsohne, der Rübezahl mit seinen Gesellen wird aufgeblasen und beschweret haben; ja, welcher Rübezahl auch bis zuletzte in dem äußersten Sacke kann verharret und das eingeladene Gold richtig verwahret haben, damit es der Bauer nicht verschütte.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 86ff
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