113. Rübezahl wird ein Rattenfänger.
Man lieset, daß vorweilen zu Hameln ein Mäusefänger sich angegeben, den Leuten Pulver verkauft und das Ungeziefer aus der Stadt gebannet habe. Auf diesen Schlag soll auch der Rübezahl in Mähren es versucht haben. Nämlich, er hat den Leuten auch eingebildet, wie er ein besonders Pulver habe für die Ratten, damit wollte er alles Ungeziefer ausrotten. Was geschicht?
Die Leute messen ihm Glauben zu, geben ihm viel Geld zu lösen, legen das Pulver in ihre Behausungen hin und befinden, indem der unerkannte Rübezahl noch bei ihnen gewesen, daß unmäßige Mäuse und Ratten darbei tot liegend ereignet haben; darauf sie denn solches Ungeziefer (wie es der Rübezahl ausdrücklich geboten, indem hierdurch die gänzliche Ausrottung aller Ratten und Bemausung aller Mäuse gewißlich verhandln wäre) alles gesammlet und auf einen Haufen mitten auf dem Markt zusammengetragen haben, und nach etlichen Tagen, wie der Rübezahl sich aus dem Staube gemacht hatte, mit Feuer zu verbrennen gesonnen gewesen sein. Da seind den verblendeten Leuten erstlich die Augen geöffnet worden, daß solche Mäuse nichts anders als kleine Erdklößer, runde Stücklein Holz, Steine und ander betrügliches Werk gewesen, welches sie sämtlich auf dem Markte bei den vermeinten Mäusehaufen versammlet gesehen und sich darüber endlich geschämet haben. Ja, es geben auch noch wohl andere gar dieses für, daß der mäuseköpfichte Rübezahl sich in selbe Zeit über den Haufen, in Gestalt eines Bischofs von Mainz Hattonis, präsentieret habe und teils im Schweben, teils im Überwegfliegen grausamlich gelachet und die anwesende Rotte über die falschen Ratten verspottet und schabernacket habe. Noch andere wollen den Ausgang dieser Historie so vorbringen: daß der Rübezahl umb ein gewisses Geld alle Ratten und Mäuse aus der Stadt wegzupartieren versprochen habe; darauf es auch soll geschehen sein, daß aus allen Winkeln und Ecken das Ungeziefer so häufig zu ihm gelaufen sei, an ihm hinangekrochen und mitten auf dem Markte, da es soll geschehen sein, dichte besetzet oder mit sich gleichsam umb und umb verposamentieret habe. Darbei soll allgemählich der Rübezahl immer mehr und mehr gewachsen sein, damit die Mäuse gleichsam alle an ihm Raum finden oder sich einzeln an ihn setzen könnten, bis er endlich zu einem sehr großen und hohen Turm geworden, da er auch von den Fußsohlen an bis zum Halse hinauf allenthalben dichte voll Mäuse und Ratten gehänget und nur den bloßen Kopf frei gehabt. Wie er nunmehr also alles Ungeziefer angepackt gehabt, da soll er damit fortgewandert sein und sich außerhalb der Stadt (wie ist er aber zum Tor hinausgekommen? Resp. Da siehe du zu, o Tor! Vielleicht ist es da her ergangen, wie mit dem trojanischen Pferde; wiewohl es auch kann geschehen sein, daß er mit seinen nunmehr langen Stampen über die Tor hingeschritten hat, aber fein sachte, damit ja keine Maus verzettelt worden) begeben haben und allda verschwunden sein. Zum Wahrzeichen soll noch heutiges Tages im selbigen Städtchen derjenige Markt der Mäusemarkt heißen, wie er bei uns der Naschmarkt genennt wird.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 105ff
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