95. Rübezahl verblendet etliche Tuchhändler.
Aus Halle hat mir folgendes ein glaubwürdiger Kürschner erzählen lassen: daß etwan vor dreißig Jahren drei Tuchhändler über das Riesengebürge gereiset, da sie unterwegens der Rübezahl freundlich angepackt und bescheiden gefraget hat, was ihr Gewerbe wäre und wohin sie gedächten? Drauf sie sämtlich geantwortet: Wir haben Tuch feil und wollen solches in Böhmen bringen. Worauf der Rübezahl begehret, daß sie ihme ihr Tuch weisen möchten, weil er es auch bedürftig wäre und gerne darvor zahlen wollte, was recht und billich sei. Auf solche inständige Anhaltung soll ein jeder sein Paket aufgemachet haben: da auch der Rübezahl alsobald von einem jedweden etliche Ellen Tuch gekauft und abgehandelt gehabt, nämlich von einem vor zwölf, vom andern vor sechzehen, vom dritten vor zwanzig Taler, welches Geld er ihnen, dem Scheine nach, an baren guten Dukaten bezahlet hat; damit sie davongewandert und ihren Weg weiter haben wollen fortsetzen. Aber siehe, was geschicht? Wie sie förder gekommen und ungefähr, ich weiß nicht aus was Ursachen, die empfangene Münze besichtigen wollen, da befinden sie miteinander, daß die vermeineten Dukaten waren lauter Zahlpfennige gewesen: worüber sie erschrecken, den Weg wieder zurücknehmen und nach dem vorigen Ort wieder hintrachten, da sie gleichsam waren vervorteilet geworden. Wie das geschehen, da treffen sie an solcher Stelle eine Kutsche an mit sechs Pferden, drinnen vornehme Personen gesessen (es war aber des Rübezahls sein Gespüke gewesen); von solchen lenket sich einer über den Schlag heraus und erfraget von den herzunahenden Kaufleuten, was sie begehreten. Diese sprachen: Wir haben vor kurzer Weile allhier an diesem Orte einem vornehmen Herrn Tuch verkaufet, dafür wir zwar unserer Meinung und Augenschein nach Dukaten empfangen haben; aber wie wir sie hernach zum andernmal betrachtet haben, da sind wir innen geworden, daß es Zahlpfennige gewesen. Der Rübezahl antwortet: Weist mir doch das Geld! Aber wie sie es herausziehen, da waren es nicht noch Zahlpfennige gewesen, sondern wieder Dukaten geworden; die der Rübezahl zu sich genommen, und drauf also geredet hat: Wie ist es denn mit euch, könnet ihr denn nicht sehen, was Gold oder Messing ist? Ihr sehet es ja selber mit euren Augen, daß es gute Dukaten sein! Doch weil ihr solches Geld nicht wollet: sehet, so will ich euch Reichstaler geben. Welches er denn auch getan und die Kaufleute damit befriediget hat hinweggehen lassen. Aber wie sie damit von neuem eine Ecke fürder geraten und aus Kuriosität das Geld noch einmal beschauet haben, da ist ihnen fürgekommen, wie sie anstatt der Taler nur Scherben hätten. Drüber sie zum andernmal bestürzt geworden sind und nicht minder sich auf den Rückweg gemachet haben, den vorigen Betrieger zu suchen und besser Geld zu holen. Drauf es denn geschehen, daß sie abermal an vorige Kutsche gekommen; draus der Bekannte hergegucket, sie angeredet und ihr neues Anliegen zu entdecken begehret. Deme sie denn auch flugs erzählet haben, wie ihr Geld zu lauter Scherben sei geworden, daß sie noch einmal für etwas Bessers austauschen oder ihr Tuch wiedernehmen wollten. Denen aber der Rübezahl ernstlich geantwortet: sie sollten sich vacken; er hätte sie einmal bezahlet und wollte ihnen gar miteinander nichts weiters geben. Sie sollten nur nach Hause gehen und sich unbekümmert lassen, er hätte sie nicht betrogen, es würde schon gut werden. Aber hiemit haben sie sich nicht wollen abweisen lassen, sondern demütig angehalten umb Verbesserung. Und sonderlich hat einige dergleichen Veränderung gebeten ein alter Mann unter ihnen, der kläglich vorgewendet: er möchte ihn doch nicht betriegen, er hätte zu Hause so und so viel kleine Kinder, die noch unerzogen wären; zu deme hätte er auch sonsten nicht viel übriges, er möchte sich doch seiner erbarmen und seinen Schaden nicht begehren. Drauf der Rübezahl abermal nichts anders gesprochen, als daß er sollte zufrieden sein, ihn ungehudelt lassen und nur nach seiner Heimat gehen; er hätte keinen betrogen, es würde schon gut werden und sich zuletzt ausweisen. Und hiemit hatten die Kaufleute ihr Abtritt müssen nehmen, welche doch aber alle und jede nach abgelegete Reise in ihrer Behausung befunden haben, daß die gedachten Scherben gute und gültige Reichstaler gewesen: drüber sie wieder erfreuet geworden, und sonderlich, weil sie sich besonnen, daß sie ihr voriges Tuch sehr teuer losgeworden wären und mehr nicht alleine begehret, sondern auch empfangen hätten als sonst von irgendeinem andern. Merke du aber, daß diese Verteurung und unbillicher Kaufschlag vielleicht die Ursach kann gewesen sein, daß sie der Rübezahl eine Weile geäffet und die Augen verblendet gehabt. Doch gnug.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 91ff
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