114. Rübezahl bauet einen Turm.
An einem gewissen Orte hatte es sich begeben, daß die Bürger gerne einen hohen Turm in ihre Stadt haben setzen wollen; darzu sie denn auch einen vornehmen Baumeister zu dingen bedacht waren. Hierüber findet sich der Rübezahl an, gibt sich für einen trefflichen Künstler aus, als der einen herrlichen Turm in der Länge auf der platten Erde bauen wollte und solchen hernach ohne Mühe und Schaden in die Höhe richten könne. Diesen Vorschlag gehen die begierigen Bürger ein; der Rübezahl machet sich mit seinen mitgebrachten Gesellen über das Werk und verfertiget einen aus der Maßen prächtigen Turm, und richtet ihn auch nach diesem auf, nimmt dafür ein großes Geld und hebet sich davon. Wie die Bürger nun nach der Verblendung ihrer Augen besser mächtig wurden, siehe, da war ihr vermeinter Turm ein langer Hauhockel oder Schuber, welchen sie alsobald anzündeten und aus dem Wege zu räumen vornahmen. Aber hierüber befand sich abermal der Rübezahl, lachete und höhnete die Neugeborne von Schilde aus, und befahl: daß sie ihr Stallvieh bringen sollten, daß sie den Turm auffressen, aus vorhandenen Mangel des wenigen Futters. Bis soweit ist mir diese Geschichte erzählet worden; hat nun ein ander was mehrers davon gehöret, dem will ich es Dank wissen, so ferne er mir's völliger avisieret und kommunizieret.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 107
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