111. Rübezahl ist ein Vogelfänger.
Auf eine andere Zeit sein etliche vornehme Herren über das Riesengebürge [Riesengebirge] gezogen, und wie sie fast weit hinaufgeraten, haben sie in der Nähe einen Vogelsteller samt unterschiedlichen aufgestellten Netzen angetroffen, welcher allbereit schon gar viele und mannigfaltige Gesang- und sonsten lieblich anzuschauene Vögel in seinen Vogelbauren an einem besonderen Orte stehen gehabt, wie er denn auch noch vielmehr getötete und zum Essen bequemliche Vögel darneben in Bündeln liegen gehabt hat. Da sind alsbald gedachte reisende Herren angereizet worden, von den geschaueten Vögeln eine Anzahl zu erkaufen, und sind ohne Säumen zu dem Steller flugs selber auf den Herd hingefahren, haben lebendiger und totgemachter Vögel ein ziemlich Haufen genommen und dem Fänger bezahlet, sind auch mit davongefahren und hatten im nächstfolgenden Quartier eine köstliche Mahlzeit daraus machen zu lassen bei sich beschlossen: wie sie denn eine schöne Lust von den lebendigen zu genießen ihnen gleichfalls eingebildet hatten. Aber siehe, wie sie eine Ecke vom vorigen Vogelorte weggefahren waren, da sehen sie erstlich, was sie vor ihr Geld bekommen hatten. Nämlich, die Vögel waren nichts anders als Pferde- und Schweinedreck; die Vogelbauren waren ein geflochtenes schlechtes Werk von Gesträuchen und kleinen Reisern. Wie sie miteinander diesen Betrug verspüret, haben vorige Herren sich selber aus der Maßen müssen auslachen, und haben den ganzen Weg durch also eine unverhoffte Materie zu scherzen und die Zeit zu verkürzen erlanget. Der Rübezahl aber hat hingegen etwan ein Dukaten prosperieret, welchen er zu seinem Schatz zweifelsohne wird geleget haben, und künftig von jenem wird bekommen und gefunden werden, der seine Residenz einnehmen und ihn davon vertreiben wird.
Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 104f
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