Das Mausloch in der Glockengrube
Einst wollte Meister Ulrich zu Laucha für die Stadt eine neue Glocke gießen.
Da er aber nicht sehr reich war, so sammelte er zum Guß auch freiwillige Gaben bei den Bürgern der Stadt.
Die Form hatte er in der Grube hergerichtet, alles war bedacht und auch ganz genau berechnet, wieviel Kupfer und Zinn er zum Guß nehmen mußte.
Das Metall kam in den Ofen, wurde geschmolzen, dann in die Form geleitet.
Große Mengen flüssiger, glühender Glockenspeise waren bereits in die Form geleitet worden, aber noch immer nicht wollte sie voll werden. Dann war der Schmelzofen leer, das Metall aber nicht in der Form von oben zu sehen.
Mit bangem Herzen zerschlug der Glockengießer Ulrich nach acht Tagen die Umhüllung und fand zu seinem großen Entsetzen nichts mehr von dem Metall. Dagegen konnte man eine Öffnung, ein kleines Mauseloch, sehen, durch das das wertvolle Metall in die Unstrut geflossen war.
Der Meister war ganz verzweifelt, begann aber bald sein Werk von neuem.
Die mitleidigen Bürger Lauchas unterstützten ihn diesmal noch reichlicher, viele gaben ihm sogar ihren goldenen und silbernen Schmuck, damit das Werk nur recht gelänge.
So konnte der Guß wiederholt werden. Und diesmal gelang er. Nur
die Krone der Glocke blieb unvollständig; es fehlte ein Bogen. Trotzdem
hängte man sie auf, und sie gab einen wundervollen Klang.
Quelle: Sagen und
Legenden aus Nebra (Unstrut), Gesammelt und neu erzählt von Rudolf
Tomaszewski, Nebra 1987