Vom Mönch in der Steinklöbe
Vor mehr als tausend Jahren füllte das Tal der Unstrut bis unterhalb Memlebens ein großer See.
Nachdem man schon mehrfach vergeblich versucht hatte, demselben einen Abfluß zu schaffen, kam das Werk endlich durch einen einzelnen Mann zustande. Und das kam so:
Ein Mönch eines Klosters in der Nähe des Unstrutflusses hatte gegen das Gelübde der Keuschheit verstoßen und war verurteilt worden, lebendig eingemauert zu werden.
Als nun die Zeit der Vollstreckung des Urteils heranrückte, ließ der Mönch seinen Abt um eine letzte Unterredung bitten. Diese wurde ihm gewährt.
Er erbot sich, wenn man ihm das Leben schenken würde, dem See einen Abfluß zu verschaffen, und so dem Kloster ausgedehnte Strecken fruchtbaren Landes zu verschaffen.
Das Angebot schien dem Abt eines Versuchs wert, und man kam überein, dem Mönch den Versuch machen und straflos ausgehen zu lassen, wenn es ihm ohne andere Hilfe gelänge, den Abfluß zu gewährleisten. Nun untersuchte der Mönch sorgfältig die ganze Umgebung und fand heraus, daß unterhalb von Memleben, in der Gegend der heutigen Steinklöbe, der Felsen durchbohrt werden müßte, wenn der Abfluß gelingen sollte.
Alsbald begab er sich an die Arbeit und fing an, einige Fuß unter
dem Wasserstand des Sees eine Rinne durch den Felsen zu meißeln.
Aber allzubald erkannte er, daß diese Arbeit über seine schwachen
Kräfte ging. Deshalb hörte er auf das verführerische Angebot
des Teufels, der ihm nur helfen wollte, wenn er ihm seine Seele verschrieb.
Der Mönch unterzeichnete mit eigenem Blut diesen schrecklichen Vertrag.
Und nun rückte die Arbeit so mächtig voran, daß das Wasser
alsbald abzufließen begann, mit reißender Geschwindigkeit
durch die Felsenge strömte und sich selber dabei ein Bett auswusch,
in dem heute noch die Unstrut zur Saale fließt. Allmählich
verschwand der See, und seitdem bedeckt fruchtbarer Schlamm das Ried,
und fleißige Menschen bearbeiten den ertragreichen Boden im Tal.
Doch der Mönch kam beim Abfluß der gewaltigen Wassermassen
ums Leben und wurde so die vorzeitige Beute des Teufels.
Quelle: Sagen und
Legenden aus Nebra (Unstrut), Gesammelt und neu erzählt von Rudolf
Tomaszewski, Nebra 1987