DAS HEILIGE LAND
Hoch aus der Nordsee Fluten hebt sich die Insel Helgoland, deren Name noch im vorigen Jahrhundert gar nicht anders als Heilgeland geschrieben wurde, insula sancta, weil sie vor grauen Zeiten ein Götterheiligtum gewesen. Schon damals mochte der Reimspruch seine Geltung haben:
Grün ist das Land,
Rot ist der Rand,
Weiß ist der Sand,
Das sind die Zeichen von Helgoland.
Als das Heidentum verschwunden war, hatten auf dieser Insel sieben ausgedehnte
Kirchspiele Raum. Noch im Jahre 1530 ernährte die Insel, nachdem
die Meeresflut längst des Landes größten Teil verschlungen,
über zweitausend Bewohner fast ausschließlich durch den Heringsfang.
Da kam es einigen Übermütigen bei, die nur geringen Fang getan,
einen oder einige Heringe mit Ruten zu peitschen, da schwand auch dieser
Segen hinweg, die Insel wurde immer kleiner und immer ärmer, und
was vordem Tausende genährt, nährte nun nur noch Hunderte. Die
Sage geht, daß das Heilgeland von alters her kein giftiges Tier
auf sich dulde. Wegen der Heringe, sagen andere, sei es also gewesen,
daß die Helgoländer oft nicht Tonnen und Salz genug für
den reichen Segen gehabt, die Heringe seien sogar den Strand hinaufgelaufen,
da habe eine alte Helgoländerin, darüber ärgerlich, einmal
einen Besen genommen und sie hinuntergefegt, von dieser Zeit an seien
sie ausgeblieben.
Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch,
Leipzig 1853