Des eisernen Landgrafen Begängnis
Landgraf Ludwig der Eiserne fühlte sein Ende nahen und lag krank
auf der Neuenburg, um die er einst den lebendigen Mauerring gestellt,
da gebot er und ordnete an, daß alle die Ritter und Vasallen, die
ihm widerspenstig gewesen, soviel ihrer noch am Leben, herbei sollten,
und sollten ihn, wann er gestorben, auf ihren Achseln ehrbarlich tragen
von Freiburg bis Reinhardsbrunn, so lieb ihnen ihr Leben wäre. Und
das mußten sie ihm an die Hand geloben, und taten's auch, ob gern
oder ungern, denn sie fürchteten ihn mehr als den Teufel und gedachten
auch, er möchte sie etwa aber versuchen und prüfen, sich lebendig
in den Sarg legen und tragen lassen, und so sie's nicht täten, würde
er herausfahren und über sie kommen mit seinem Zorn und seiner Strafe.
Und da der Landgraf nun gestorben war, hielten sie getreulich das Gelübde
und trugen ihn in Furcht und Zittern den langen, weiten Weg, über
zehn Meilen, wechselten oft ab, und wo sie ruhten, setzten sie den Sarg
in die Kirche und ließen vor des Landgrafen Seele beten, denn sie
waren der Meinung, dieselbe bedürfe der Fürbitten sehr. Herrlich
war des Landgrafen Begängnis zu Reinhardsbrunn im Kloster, viele
deutsche Fürsten waren gekommen, diesem beizuwohnen. Der Erzbischof
Wigmann aus Magdeburg hielt ihm das Seelenamt. Ludwig ward begraben in
der Klosterkirche neben dem Altar des heiligen Kreuzes, und über
sein Grab ward sein Bild gestellt, im vollen Harnisch, wie man gewohnt
war, ihn im Leben zu sehen.
Quelle: Ludwig Bechstein,
Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853