Das kleine Hütchen
In einem Dorfe hinter dem Hörseelenberge gibt es Hütchen, das
sind kleine Hausgeisterlein von gar hilfreicher Art, doch leidlich zu
erzürnen. Ein solches Hütchen war im Gehöft eines Bauers
viele Jahre lang, half bei der Arbeit unsichtbar und ließ sich wohl
bisweilen auch sehen. Zusehends mehrte sich des Bauers Reichtum, aber
wie es fast immer der Fall ist, daß der, welcher hat, nie genug
haben kann, so auch dieser Bauer. Einmal erblickte er das kleine Hütchen,
wie sich's gar emsig plackte und mit aller Mühe einen langen Strohhalm,
der ihm sehr schwer zu halten war, die Bodentreppe hinanzog. Über
solche zwecklose und nichtsnutzige Arbeit erzürnte sich der Bauer,
fuhr das Hütchen zornig an und rief: Ei, daß dich, du fauler
Schlingel! Augenblicklich verschwand das kleine Hütchen, auf der
Treppe aber lag jetzt sichtbar ein großer Sack voll Getreide, daran
vier Mann zu tragen hatten; das war der Strohhalm gewesen. Das Hütchen
ließ sich nie mehr weder hören noch sehen, und nach einiger
Zeit brannte das Haus des reichen Bauers nieder samt der vollen Scheuer,
sein Vieh fiel, und er kam durch allerlei Unglück so herunter, daß
er bettelarm wurde.
Quelle: Ludwig Bechstein,
Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853