Der heilige Günther in Göllingen
Zwischen Frankenhausen und Sondershausen lagen im Wippertale zwei Klöster,
die in den Gauen umher besondern Rufes sich erfreuten, das waren Sankt
Gertrudis zur Kapellen, insgemein Kapellen genannt, das lag unter der
Arnsburg zwischen Seege und Günzerode, und Sankt Wippert in Göllingen.
Kapellen soll der Ort gewesen sein, wo im Jahre 1197 die deutschen Fürsten
Philipp von Schwaben zum deutschen Kaiser kürten. In Göllingen
lebte im elften Jahrhundert der heilige Günther, welcher ein reicher
thüringischer Gaugraf war, der zur Buße seiner Jugendsünden
in Hersfeld geistlich wurde und seinen Gau dem heiligen Wippert zum Eigen
schenkte und nur Göllingen zum Aufenthaltort sich vorbehielt. Dieser
Graf Günther soll ein Sohn des Markgrafen Ekkard gewesen sein und
ein Urahnherr der Grafen von Käfernburg und Schwarzburg, deren Nachkommen
noch heute Sondershausen und Frankenhausen besitzen und den Namen Günther
stets in ihrem Geschlechte fortführen. Günther hatte das Gelübde
getan, nimmer Fleisch zu essen, da derselbe nun einst bei einem mächtigen
Herrscher zu Gast war und dieser ihm nötigend zusetzte, von einem
aufgetragenen gebratenen Pfau zu essen, so rief der fromme Mann Gott an,
ihn aus dieser Verlegenheit zu ziehen, und siehe, da bekam der gebratene
Pfau in seiner Schüssel Federn, wurde lebendig und flog auf und davon.
Dieser fromme Mann und Wundertäter ist fern von Thüringen, im
Lande Böhmen, gestorben und hat noch nach seinem Tode viele Wunder
getan. Die beiden Klöster im Wippertale hielten gute Freundschaft
und Nachbarschaft miteinander und führten heimliche Gänge unter
der Erde von Kapellen nach Göllingen, die gegenseitigen Besuche unsichtbar
zu machen, welche die Mönchlein und die Nönnlein einander abgestattet
haben sollen, wie die Sage geht.
Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch,
Leipzig 1853