Der Schmied in Ruhla
Graf Ludwig, der die Wartburg bauete und auch Eisenach, die Stadt, mit Mauern umgab, der Reinhardsbrunn, das Kloster, gründete und in demselben als Mönch büßte, verließ einen Sohn, auch Ludwig geheißen, den machte der Kaiser zum Landgrafen in Thüringen, und derselbe war, da er noch ein Jüngling war, gar gütig und demütig gegen Edle und Unedle und von mildem Wesen; solches ward ihm von seinen Vasallen für Schwäche und Torheit ausgelegt. Er strafte nicht gern und hörte nicht gerne klagen, hatte zu allen Menschen das beste Vertrauen und wußte nicht, daß die Edeln seine Untertanen schmählich bedrückten und daß Bürger und Bauern von ihnen viel böser Gewalt erleiden mußten, zumal die, so um ihn waren, zu verhindern wußten, daß Beschwerden an den Herrn gelangten.
Da geschah es, daß der junge Landgraf eines Abends auf einem Jagdritt
sich im Forste verirrte und in die Nähe des Ortes Ruhla kam, da sah
er das helle Feuer einer Waldschmiede durch die Nacht leuchten, ging darauf
zu und bat den Schmied um Herberge. Der Schmied kannte ihn nicht und fragte
ihn, wer er sei. - Ich bin Eures Herrn, des Landgrafen, Jäger einer.
- Pfui des Landgrafen! rief der Schmied und spuckte aus und wischte sich.
Wer ihn nennt, muß sein Maul wischen, daß er es nicht verunreint
mit dem Namen. Pfui des übelbarmherzigen Kunzenherrn! Um deines Herrn
Willen herberge ich dich wahrhaftig nicht! Geh, ziehe nur dein Pferd in
den Schoppen, dann komme her und sitze nieder, iß und trink, was
da ist, und ruhe auf dem Heu, denn Bettgewand ist hie nicht vorhanden.
- Der Landgraf, ganz verwundert ob dieser groben Rede, schwieg ganz still,
ging und brachte sein Pferd unter Dach und kam wieder in die Schmiede.
Der Schmied kümmerte sich so viel als gar nicht um ihn, schürte
sein Feuer, zog den Blasebalg, hitzte und hetzte, glühte sein Eisen,
löschte es, glühte wieder und hämmerte und rief bei den
Schlägen fort und fort: Landgraf Ludwig, werde hart, werde hart!
und schlug mit dem gewichtigen Hammer, daß die Funken stoben, und
erzählte alles nach der Schnur her, worüber die Untertanen klagten,
und schob alle Schuld und alles Unrecht, was im Lande geschah, auf den
Landgrafen und verwünschte und verfluchte ihn in die unterste Hölle.
Er sang das alte Lied von den dünkelvollen Räten, die alles
besser wissen, sich und ihre Weisheit für unfehlbar halten, die Fürsten
glaubend machen, es stehe alles gut im Lande, und hinterdrein ist's Lug
und Trug, und der Aufruhr schlägt in hellen Flammen aus, und alles
Unglück, das daraus entsteht, wird hernach den Fürsten in die
Schuhe geschoben. Dem Landgrafen erschrak das Herz im Leibe, als er aus
dieser harten Stimme des Schmiedes des Volkes Stimmung gegen sich vernahm,
und er nahm sich vor, dem Unfug, den seine Edeln verübten, ein Ende
mit Schrecken zu machen. Ganz hart geschmiedet verließ er, nachdem
er kein Auge zugetan, die Ruhlaer Waldschmiede, und sein milder Sinn war
in einen eisernen verkehrt. Er nahm die Zügel der Regierung in die
eigne Hand und zog sie so straff, daß die edeln Rosse schäumten
und knirschten und sich bäumten, aber das Volk atmete freier auf,
und ward ihm wohler, denn die ritterlichen Vasallen durften es nicht mehr
placken und schinden.
Quelle: Ludwig Bechstein,
Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853