Arendsee
Von dem Arendsee in der Altmark wird folgendes erzählt: An der Stelle,
wo jetzt der See und der Ort dieses Namens liegt, stand vor alters ein
großes Schloß. Dieses ging urplötzlich unter, und nicht
mehr kam davon als ein Mann und ein Weib. Wie die beiden nun fortgingen,
sah sich das Weib ungefähr um und ward der schleunigen Veränderung
innen. Verwundert brach sie in die Worte aus: »Arend, see!«
(Arend sieh! Denn jenes war ihres Mannes Name) und darum gab man nachher
dem Städtlein die Benennung, das an dem See auferbaut wurde. In diesem
See ragt der feinste, weiße Streusand hervor, und wann die Sonne
hell scheint, soll man (wie auch beim See Brock neben dem Ossenberg) noch
alle Mauern und Gebäude des versunkenen Schlosses sehen. Einige haben
einmal vorgehabt, das Wasser zu gründen, und ein Seil eingelassen;
wie sie das herauszogen, fand sich ein Zettel dran mit dem Gebote: »Lasset
ab von euerem Unternehmen, sonst wird euerm Orte widerfahren, was diesem
geschehen ist.«
Kommentar: Prätor.: Weltbeschreibung, I, 97, aus mündlicher Sage.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm
Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 111