Brot und Salz segnet Gott
Es ist ein gemeiner Brauch unter uns Deutschen,
daß der, welcher eine Gasterei hält, nach der Mahlzeit sagt:
»Es ist nicht viel zum besten gewesen, nehmt so vorlieb.«
Nun trug es sich zu, daß ein Fürst auf der Jagd war, einem
Wild nacheilte und von seinen Dienern abkam, also daß er einen Tag
und eine Nacht im Walde herumirrte. Endlich gelangte er zu einer Köhlerhütte,
und der Eigentümer stand in der Türe. Da sprach der Fürst,
weil ihn hungerte: »Glück zu, Mann! Was hast du zum besten?«
Der Köhler antwortete: »Ick hebbe Gott un allewege wol (genug).«
- »So gib her, was du hast«, sprach der Fürst. Da ging
der Köhler und brachte in der einen Hand ein Stück Brot, in
der andern einen Teller mit Salz; das nahm der Fürst und aß,
denn er war hungrig. Er wollte gern dankbar sein, aber er hatte kein Geld
bei sich; darum löste er den einen Steigbügel ab, der von Silber
war, und gab ihn dem Köhler; dann bat er ihn, er möchte ihn
wieder auf den rechten Weg bringen, was auch geschah.
Als der Fürst heimgekommen war, sandte er Diener aus, die mußten
diesen Köhler holen. Der Köhler kam und brachte den geschenkten
Steigbügel mit; der Fürst hieß ihn willkommen und zu Tische
sitzen, auch getrost sein: es sollt ihm kein Leid widerfahren. Unter dem
Essen fragte der Fürst: »Mann, es ist diese Tage ein Herr bei
dir gewesen; sieh herum, ist derselbe hier mit über der Tafel?«
Der Köhler antwortete: »Mi ducht, ji sünd et wol sülvest«,
zog damit den Steigbügel hervor und sprach weiter: »Will ji
düt Ding wedderhebben?« - »Nein«, antwortete der
Fürst, »das soll dir geschenkt sein, laß dir's nur schmecken
und sei lustig.« Wie die Mahlzeit geschehen und man aufgestanden
war, ging der Fürst zu dem Köhler, schlug ihn auf die Schulter
und sprach: »Nun, Mann, nimm so vorlieb, es ist nicht viel zum besten
gewesen.« Da zitterte der Köhler; der Fürst fragte ihn,
warum; er antwortete, er dürfte es nicht sagen. Als aber der Fürst
darauf bestand, sprach er: »Och Herre! Ase ji säden, et wäre
nig väle tom besten west, do stund de Düfel achte ju!«
- »Ist das wahr«, sagte der Fürst, »so will ich
dir auch sagen, was ich gesehen. Als ich vor deine Hütte kam und
dich fragte, was du zum besten hättest, und du antwortetest: Gott
und all genug! da sah ich einen Engel Gottes hinter dir stehen.
Darum aß ich von dem Brot und Salz und war zufrieden; will auch
nun künftig hier nicht mehr sagen, daß nicht viel zum besten
gewesen.«
Kommentar: Prätorius: Wünschelruthe
S. 7 - 9.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm
(Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 566