Das von den Juden getötete Mägdlein
Im Jahre 1267 war zu Pforzheim eine alte Frau,
die verkaufte den Juden aus Geiz ein unschuldiges siebenjähriges
Mädchen. Die Juden stopften ihm den Mund, daß es nicht schreien
konnte, schnitten ihm die Adern auf und umwanden es, um sein Blut aufzufangen,
mit Tüchern. Das arme Kind starb bald unter der Marter, und sie warfen's
in die Enz, eine Last von Steinen obendrauf. Nach wenigen Tagen reckte
Margaretchen ihr Händlein über dem fließenden Wasser in
die Höhe; das sahen die Fischer und entsetzten sich; bald lief das
Volk zusammen und auch der Markgraf selbst. Es gelang den Schiffern, das
Kind herauszuziehen, das noch lebte, aber, nachdem es Rache über
seine Mörder gerufen, in den Tod verschied. Der Argwohn traf die
Juden, alle wurden zusammengefordert, und wie sie dem Leichnam nahten,
floß aus den offenen Wunden stromweise das Blut. Die Juden und das
alte Weib bekannten die Untat und wurden hingerichtet. Beim Eingang der
Schloßkirche zu Pforzheim, da, wo man die Glockenseile zum Geläut
ziehet, stehet der Sarg des Kindes mit einer Inschrift. Unter der Schifferzunft
hat sich von Kind zu Kind einstimmig die Sage fortgepflanzt, daß
damals der Markgraf ihren Vorfahren zur Belohnung die Wachtfreiheit, »solang
Sonne und Mond leuchten«, in der Stadt Pforzheim und zugleich das
Vorrecht verliehen habe, daß alle Jahre um Fastnachtsmarkt vierundzwanzig
Schiffer mit Waffen und klingendem Spiel aufziehen und an diesem Tag Stadt
und Markt allein bewachen sollen. Dies gilt auf den heutigen Tag.
Kommentar: Thomae
Cantipranti Bonum universale de apibus, Duaci 1627, 8, p. 303.
Vgl. Gehres Pforzheimer Chronik, S. 18 - 24.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 353