Der Altar zu Seefeld
In Tirol, nicht weit von Innsbruck, liegt Seefeld,
eine alte Burg, wo im XIV. Jahrhundert Oswald Müller [sic], ein stolzer
und frecher Ritter, wohnte. Dieser verging sich im Übermute so weit,
daß er im Jahre 1384 an einem Grünen Donnerstag mit der ihm
im Angesicht des Landvolkes und seiner Knechte in der Kirche gereichten
Hostie nicht vorliebnehmen wollte, sondern eine größere, wie
sie die Priester sonst haben, vom Kapellan für sich forderte. Kaum
hatte er sie empfangen, so hub der steinharte Grund vor dem Altar an unter
seinen Füßen zu wanken. In der Angst suchte er sich mit beiden
Händen am eisernen Geländer zu halten, aber es gab nach, als
ob es von Wachs wäre, also daß sich die Fugen seiner Faust
deutlich ins Eisen drückten. Ehe der Ritter ganz versank, ergriff
ihn die Reue, der Priester nahm ihm die Hostie wieder aus dem Mund, welche
sich, wie sie des Sünders Zunge berührt, alsbald mit Blut überzogen
hatte. Bald darauf stiftete er an der Stätte ein Kloster und wurde
selbst als Laie hineingenommen. Noch heute ist der Griff auf dem Eisen
zu sehen und von der ganzen Geschichte ein Gemälde vorhanden.
Hier eine Kirchenfahne in der Wallfahrtskirche
St. Oswald, Seefeld
Dargestellt ist die Szene wie der Ritter "Oswald Müller" bzw. "Oswald Milser"
beim frevlerischen
Hostienempfang in den Boden vor dem Altar versinkt
© Berit
Mrugalska, 13. September 2004
Seine Frau, als sie von dem heimkehrenden Volke erfuhr, was sich in der Kirche zugetragen, glaubte nicht daran, sondern sprach: "Das ist so wenig wahr, als aus dem dürren und verfaulten Stock da Rosen blühen können." Aber Gott gab ein Zeichen seiner Allmacht, und alsbald grünte der trockne Stock und kamen schöne Rosen, aber schneeweiße, hervor. Die Sünderin riß die Rosen ab und warf sie zu Boden, in demselben Augenblick ergriff sie der Wahnsinn, und sie rannte die Berge auf und ab, bis sie andern Tags tot zur Erde sank.
Blick auf den Hochaltar in der Pfarr-und Wallfahrtskirche
St. Oswald, Seefeld
Bedeutende spätgotische Staffelkirche in Tirol, Vgl. DEHIO-Tirol,
1980, 719.
© Berit
Mrugalska, 13. September 2004
Kommentar:
Mündlich aus Wien. Von dem hoch und weit berühmten Wunderzeichen,
so sich mit dem Altar in Seefeld in Tirol im Jahre 1384 zugetragen, Dillingen
1580 und Innsbr. 1603, 4.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm
Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 355