Der ausgehende Rauch
Zu Hersfeld dienten zwei Mägde in einem
Haus, die pflegten jeden Abend, eh sie zu Bett schlafen gingen, eine Zeitlang
in der Stube stillzusitzen. Den Hausherrn nahm das endlich wunder, er
blieb daher einmal auf, verbarg sich im Zimmer und wollte die Sache ablauern.
Wie die Mägde sich nun beim Tisch allein sitzen sahen, hob die eine
an und sagte:
»Geist, tue dich entzücken
und tue jenen Knecht drücken!«
Darauf stieg ihr und der andern Magd gleichsam ein schwarzer
Rauch aus dem Halse und kroch zum Fenster hinaus; die Mägde fielen
zugleich in tiefen Schlaf. Da ging der Hausvater zu der einen, rief sie
mit Namen und schüttelte sie, aber vergebens, sie blieb unbeweglich.
Endlich ging er davon und ließ sie. Des Morgens darauf war diejenige
Magd tot, die er gerüttelt hatte, die andere aber, die er nicht angerührt,
blieb lebendig.
Kommentar: Prätor.: Weltbeschreibung,
II, 161
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 248