Der Brutpfennig
Der Brutpfennig oder Heckegroschen soll auf folgende heillose Weise erlangt
werden: Die sich dem Teufel verbinden wollen, gehen auf Weihnachtsabend,
so es beginnet zu dunkeln, nach einem Scheideweg unter dem offenbaren
Himmel. Mitten auf diesem Flecken legen sie dreißig Pfennige oder
auch Groschen, Taler in einem runden Ring der Reihe nach nebeneinander
hin und heben an, die Stücke vorwärts und rückwärts
zu zählen. Dies Zählen muß gerade geschehen in der Zeit,
wenn man zur Messe läutet. In dem Zählen nun sucht der höllische
Geist durch allerhand schreckliche Gesichter von glühenden Ofen,
seltsamen Wagen und hauptlosen Menschen irrezumachen, denn wenn der Zählende
im geringsten wankt und stolpert, wird ihm der Hals umgedreht. Wofern
er aber richtig vor- und nachgezählt, so wirft der Teufel zu den
dreißig Stücken das einunddreißigste in gleicher Münze
hin. Dieser einunddreißigste Pfennig hat die Eigenschaft, daß
er alle und jede Nacht einen gleichen ausbrütet.
Eine Bäuerin zu Pantschdorf bei Wittenberg, die einen solchen Brutpfennig
hatte, wurde auf diese Art als Hexe kundgemacht: Sie mußte einmal
notwendig ausgehen und hieß die Magd, die Milch von der gemelkten
Kuh (eh sie die andern melkte) alsbald sieden, auf Weißbrot in einer
dastehenden Schüssel gießen und in eine gewisse Kiste setzen,
welche sie ihr zeigte. Die Dienstmagd vergaß das entweder oder dachte,
es wäre gleichviel, ob sie die Milch vor oder nach dem Melken der
anderen Kühe aufkochte, und tat also erst ihre ganze Arbeit. Nachher
nahm sie die siedende Milch vom Feuer, und in der einen Hand den Topf
haltend, mit der andern im Begriff, die bezeichnete Kiste zu öffnen,
sah sie in dieser ein pechschwarz Kalb sitzen, das den Mund aufsperrte.
Vor Schrecken goß sie die gesottene Milch in seinen Rachen, und
in selbem Augenblick floh das Kalb davon und steckte das ganze Haus in
Brand. Die Frau wurde eingezogen und bekannte; ihren Brutpfennig haben
die Bauern noch lange Zeit in der gemeinen Kassa aufbewahret.
Kommentar: Happel:
Relat. curios., I, 522.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 86