Der Liebhaber zum Essen eingeladen
Zu Saalfeld in Thüringen
war eine Schösserin (Steuereinnehmerin), die sich heimlich in ihren
Schreiber verliebte. Durch Zauberei aber wollte sie ihn gewinnen, ließ
ein frisches Brot backen und steckte mitten in der heiligen Christnacht
kreuzweise zwei Messer hinein, indem sie etliche Worte dazu murmelte.
Darauf kam der Schreiber aus dem Schlafe ganz nackigt zur Stube hereingesprungen,
setzte sich nieder am Tisch und sah sie scharf an. Sie stand auf und lief
davon, da zog er beide Messer aus dem Brot und warf sie hinter ihr drein
und hätte sie bald sehr verletzt. Hernach ging er wieder zurück;
eine Muhme, die in der Stube zugegen war, erschrak so heftig, daß
sie etliche Wochen krank niederliegen mußte. Der Schreiber soll
den folgenden Tag zu den Hausleuten gesagt haben: er möchte nur gern
wissen, welche Frau ihn verwichene Nacht so geängstet habe; er wäre
so abgemattet, daß er es kaum sagen könne, denn er hätte
sollen mit fortkommen und sich nicht genugsam erwehren können; er
hätte auch beten mögen, was er gewollt, so wäre er getrieben
worden.
Dieselbe alte Frau, die diese Geschichte erzählte, fügte hinzu: Auch zu Coburg haben einmal einige Edeljungfrauen von neunerlei Essen etwas aufgehoben und um Mitternacht aufgestellt und sich dabei zu Tische gesetzt. Darauf kamen ihre Liebsten alle, jeder brachte ein Messer mit, und wollten sich zu ihnen niederlassen. Darüber entsetzten sich die Jungfrauen und flohen; einer aber nahm das Messer und warf hinterher; sie schaute um, blickte ihn an und hob das Messer auf. Ein andermal soll statt des eingeladenen Buhlen der leibhaftige Tod in die Stube gekommen sein und sein Stundenglas bei einer niedergesetzt haben, die denn auch das Jahr über verstarb.
In Schlesien haben sich drei Hoffräulein in einer heiligen Nacht
an einen gedeckten Tisch gesetzt und ihre zukünftigen Liebhaber erwartet,
deren jedem ein Teller hingestellt war. Sie sind auch auf diese Einladung
erschienen, aber nur zweie, die sich zu zwei Jungfrauen gesetzt; der dritte
ist ausgeblieben. Als nun die Verlassene darüber traurig und ungeduldig
geworden, endlich nach langem vergeblichen Warten aufgestanden und sich
ans Fenster gestellt, hat sie gegenüber einen Sarg erblickt, darin
eine Jungfrau gelegen, ihr ganz gleich gestaltet, worüber sie erkrankte
und bald darauf starb. Nach einer mündlichen Erzählung kommt
die Totenlade in die Stube, sie geht darauf zu, die Bretter tun sich auf,
und sie fällt tot hinein.
Kommentar: Prätor.:
Weihnachtsfratzen, prop. 53. Bräuners Curiosit., 97.
Valvassor: Ehre von Crain, II, 479.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 115