Der Riesenfinger
Am Strand der Saale, besonders in der Nähe von Jena, lebte ein wilder
und böser Riese; auf den Bergen hielt er seine Mahlzeit, und auf
dem Landgrafenberg heißt noch ein Stück der Löffel, weil
er da seinen Löffel fallen ließ. Er war auch gegen seine Mutter
gottlos, und wenn sie ihm Vorwürfe über sein wüstes Leben
machte, so schalt er sie und schmähte und ging nur noch ärger
mit den Menschen um, die er Zwerge hieß. Einmal, als sie ihn wieder
ermahnte, ward er so wütend, daß er mit den Fäusten nach
ihr schlug. Aber bei diesem Greuel verfinsterte sich der Tag zu schwarzer
Nacht, ein Sturm zog daher, und der Donner krachte so fürchterlich,
daß der Riese niederstürzte. Alsbald fielen die Berge über
ihn her und bedeckten ihn, aber zur Strafe wuchs der kleine Finger ihm
aus dem Grabe heraus. Dieser Finger aber ist ein langer schmaler Turm
auf dem Hausberg, den man jetzt den Fuchsturm heißt.
Kommentar: Vgl. Taschenbuch für Freundschaft
und Liebe, 1815, S. 279 - 281.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 136