Der Tannhäuser
Der edle Tannhäuser, ein deutscher Ritter,
hatte viele Länder durchfahren und war auch in Frau Venus' Berg zu
den schönen Frauen geraten, das große Wunder zu schauen. Und
als er eine Weile darin gehaust hatte, fröhlich und guter Dinge,
trieb ihn endlich sein Gewissen, wieder herauszugehen in die Welt, und
begehrte Urlaub. Frau Venus aber bot alles auf, um ihn wanken zu machen:
sie wolle ihm eine ihrer Gespielen geben zum ehelichen Weibe, und er möge
gedenken an ihren roten Mund, der lache zu allen Stunden. Tannhäuser
antwortete: kein ander Weib gehre er, als die er sich in den Sinn genommen,
wolle nicht ewig in der Hölle brennen, und gleichgültig sei
ihm ihr roter Mund, könne nicht länger bleiben, denn sein Leben
wäre krank geworden. Und da wollte ihn die Teufelin in ihr Kämmerlein
locken, der Minne zu pflegen, allein der edle Ritter schalt sie laut und
rief die himmlische Jungfrau an, daß sie ihn scheiden lassen mußte.
Reuevoll zog er die Straße nach Rom zu Papst Urban, dem wollte er
alle seine Sünden beichten, damit ihm Buße aufgelegt würde
und seine Seele gerettet wäre. Wie er aber beichtete, daß er
auch ein ganzes Jahr bei Frauen Venus im Berg gewesen, da sprach der Papst:
»Wann der dürre Stecken grünen wird, den ich in der Hand
halte, sollen dir deine Sünden verziehen sein, und nicht anders.«
Der Tannhäuser sagte: »Und hätte ich nur noch ein Jahr
leben sollen auf Erden, so wollte ich solche Reue und Buße getan
haben, daß sich Gott erbarmt hätte;« und vor Jammer und
Leid, daß ihn der Papst verdammte, zog er wieder fort aus der Stadt
und von neuem in den teuflischen Berg, ewig und immerdar drinnen zu wohnen.
Frau Venus aber hieß ihn willkommen, wie man einen lang abwesenden
Buhlen empfängt; danach wohl auf den dritten Tag hub der Stecken
an zu grünen, und der Papst sandte Botschaft in alle Land, sich zu
erkundigen, wohin der edle Tannhäuser gekommen wäre. Es war
aber nun zu spät, er saß im Berg und hatte sich sein Lieb erkoren,
daselbst muß er nun sitzen bis zum Jüngsten Tag, wo ihn Gott
vielleicht anderswohin weisen wird. Und kein Priester soll einem sündigen
Menschen Mißtrost geben, sondern verzeihen, wenn er sich anbietet
zu Buß und Reue.
Kommentar: Nach dem
alten Volkslied in Prätor.: Blocksberg, Leipz. 1668, S. 19 - 25.
Agricola: Sprichwort, 667, p. m. 322b.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 170