Der wilde Jäger jagt die Moosleute
Auf der Heide oder im Holz an dunkeln Örtern, auch in unterirdischen
Löchern, hausen Männlein und Weiblein und liegen auf grünem
Moos, auch sind sie um und um mit grünem Moos bekleidet. Die Sache
ist so bekannt, daß Handwerker und Drechsler sie nachbilden und
feilbieten. Diesen Moosleuten stellt aber sonderlich der wilde Jäger
nach, der in der Gegend zum öftern umzieht, und man hört vielmal
die Einwohner zueinander sprechen: »Nun, der wilde Jäger hat
sich ja nächtens wieder zujagt, daß es immer knisterte und
knasterte!«
Einmal war ein Bauer aus Arntschgereute nah bei Saalfeld aufs Gebirg
gegangen, zu holzen; da jagte der wilde Jäger, unsichtbar, aber so,
daß er den Schall und das Hundegebell hörte. Flugs gab dem
Bauer sein Vorwitz ein, er wolle mithelfen jagen, hub an zu schreien,
wie Jäger tun, verrichtete daneben sein Tagewerk und ging dann heim.
Frühmorgens den andern Tag, als er in seinen Pferdestall gehen wollte,
da war vor der Tür ein Viertel eines grünen Moosweibchens aufgehängt,
gleichsam als ein Teil oder Lohn der Jagd. Erschrocken lief der Bauer
nach Wirbach zum Edelmann von Watzdorf und erzählte die Sache, der
riet ihm, um seiner Wohlfahrt willen, ja das Fleisch nicht anzurühren,
sonst würde ihn der Jäger hernach drum anfechten, sondern sollte
es ja hangen lassen. Dies tat er denn auch, und das Wildbret kam ebenso
unvermerkt wieder fort, wie es hingekommen war; auch blieb der Bauer ohne
Anfechtung.
Kommentar: Prätor.:
Weltbeschreibung, I, 691, 694, aus mündlichen Sagen im Saalfeldischen.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 48