Die Katze aus dem Weidenbaum
Ein Bauernknecht
von Straßleben erzählte, wie daß in ihrem Dorfe eine
gewisse Magd wäre, dieselbe hätte sich zuweilen vom Tanze hinweg
verloren, daß niemand wußte, wo sie hinkommen, bis sie eine
feine Weile hernach sich wieder eingefunden. Einmal beredete er sich mit
andern Knechten, dieser Magd nachzugehn. Als sie nun sonntags wieder zum
Tanze kam und sich mit den Knechten erlustigte, ging sie auch wieder ab.
Etliche schlichen ihr nach, sie ging das Wirtshaus hinaus aufs Feld und
lief ohne Umsehen fort, einer hohlen Weide zu, in welche sie sich versteckte.
Die Knechte folgten nach, begierig zu sehen, ob sie lange in der Weide
verharren würde, und warteten an einem Ort, wo sie wohlverborgen
standen. Eine kleine Weile drauf merkten sie, daß eine Katze aus
der Weide sprang und immer querfeldein nach Langendorf lief. Nun traten
die Knechte näher zur Weide, da lehnte das Mensch oder vielmehr ihr
Leib ganz erstarret, und sie vermochten ihn weder mit Rütteln noch
Schütteln zum Leben bringen. Ihnen kommt ein Grauen an, sie lassen
den Leib stehen und gehen an ihren vorigen Ort. Nach einiger Zeit spüren
sie, daß die Katze den ersten Weg zurückgeht, in die Weide
einschlüpft, die Magd aus der Weide kriecht und nach dem Dorfe zugeht.
Kommentar: Der ungewissenhafte Apotheker, S. 895.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 249