Die Lichter auf Hellebarden
Von dem uralten hanauischen Schloß Lichtenberg
auf einem hohen Felsen im Unterelsaß, eine Stunde von Ingweiler
belegen, wird erzählt: Sooft sich Sturm und Ungewitter rege, daß
man auf den Dächern und Knöpfen des Schlosses, ja selbst auf
den Spitzen der Hellebarden viele kleine blaue Lichter erblicke. Dies
hat sich seit langen Jahren also befunden und nach einigen selbst dem
alten Schloß den Namen gegeben.
Zwei Bauern gingen aus dem Dorf Langenstein (nah bei Kirchhain in Oberhessen)
nach Embsdorf zu, mit ihren Heugabeln auf den Schultern. Unterwegs erblickte
der eine unversehens ein Lichtlein auf der Partisan seines Gefährten,
der nahm sie herunter und strich lachend den Glanz mit den Fingern ab,
daß er verschwand. Wie sie hundert Schritt weitergingen, saß
das Lichtlein wieder an der vorigen Stelle und wurde nochmals abgestrichen.
Aber bald darauf stellte es sich zum drittenmal ein, da stieß der
andere Bauer einige harte Worte aus, strich es jenem nochmals ab, und
darauf kam es nicht wieder. Acht Tage hernach zu derselben Stelle, wo
der eine dem andern das Licht zum drittenmal abgestrichen hatte, trafen
sich diese beiden Bauern, die sonst gute alte Freunde gewesen, verunwilligten
sich, und von den Worten zu Schlägen kommend, erstach der eine den
andern.
Kommentar: Happel: Relat.
curios., II, 771, 772.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 279