Frau Sophiens Handschuh
Als Sophia mit ihrem dreijährigen Sohn aus
Brabant nach Hessen kam, zog sie gen Eisenach und hielt eine Sprache mit
Heinrich, Markgraf von Meißen, daß er ihr das Land Hessen
wieder herausgäbe. Da antwortete der Fürst: »Gern, allerliebste
Base, meine getreue Hand soll dir und deinem Sohne unbeschlossen sein.«
Wie er so im Reden stund, kam sein Marschall Helwig von Schlotheim und
sein Bruder Hermann, zogen ihn zurück und sprachen: »Herr,
was wollt Ihr tun? Und wäre es möglich, daß Ihr einen
Fuß im Himmel hättet und den andern zu Wartburg: viel eher
solltet Ihr den aus dem Himmel ziehen und zu dem auf Wartburg setzen!«
Also kehrte sich der Fürst wieder zu Sophien und sprach: »Liebe
Base, ich muß mich in diesen Dingen bedenken und Rat meiner Getreuen
haben«, schied also von ihr, ohne ihrem Recht zu willfahren. Da
ward die Landgräfin betrübt, weinte bitterlich und zog den Handschuh
von ihrer Hand und rief: »O du Feind aller Gerechtigkeit, ich meine
dich, Teufel! Nimm hin den Handschuh mit den falschen Ratgebern!«
warf ihn in die Luft. Da wurde der Handschuh weggeführt und nimmermehr
gesehen. Auch sollen diese Räte hernachmals keines guten Todes gestorben
sein.
Kommentar: Imhofs
handschriftliche Chronik von Hessen und Thüringen,
Bl. 33, und in Senkenberg: Selecta, III, 325 - 328. cf. hist.
Thuring., ap. Pistor, I, p. 1329 (edit. 1731).
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 559