Hermann von Treffurt
In der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
lebte zu Treffurt ein Ritter, Hermann von Treffen genannt, der gern auf
die Buhlschaft gegangen und viel ehrbare Frauen und Jungfrauen um ihre
Ehre gebracht, also daß kein Mann in seinem Gebiet seine Tochter
über zwölf Jahre daheim behalten durfte. Daneben aber ist er
andächtig gewesen, fleißig in die Messe gegangen, hat auch
die Gezeiten St. Marien mit großer Andacht gesprochen. Dieser hat
einsmals zu seiner Buhlschaft reiten wollen und zuvor, seinem Gebrauch
nach, die Gezeiten St. Marien mit großer Andacht gesprochen; wie
er nun in der Nacht im Finstern allein über den Hellerstein geritten,
hat er des rechten Weges gefehlt und ist auf den hohen Felsen des Berges
gekommen, wo das Pferd zwar stutzte, der Ritter aber meinte, es scheue
vor irgendeinem Tier; gab ihm deswegen im Zorn den Sporn, also daß
das Roß mit ihm den hohen Felsen hinabgesprungen und sich zu Tod
gefallen; auch ist der Sattel mitsamt dem Schwert in der Scheide an vielen
Stücken zerbrochen. Der Ritter aber hat in dem Fall noch die Muttergottes
angerufen, und da hat ihn gedeucht, als werde er von einer Frau empfangen,
die ihn sanft und unverletzt auf die Erde gesetzt.
Nach dieser wunderbaren Errettung ist er nach Eisenach in ein Kloster
gegangen, hat sein Leben gebessert, all sein Gut um Gottes willen von
sich gegeben und als ein Mönch barfuß und in Wolle sein Brot
gebettelt. Auch als 1347 sein Tod herannahete, hat er nicht bei andern
frommen Christen sein Ruhebettlein haben wollen, sondern an einem heimlichen,
unsaubern Orte, zwischen der Liebfrauenkirche und der Stadtmauer, begraben
sein wollen, seine unreinen Taten desto härter zu büßen,
wie auch geschehen ist.
Kommentar: Becherer: Thüring. Chronik, S.
337, 338. Andr. Toppius:
Hist. von Eisenach, herausgeg. von Junker, S. 22 und 57.
Melissantes: Orogr., unter Hellerstein.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm
(Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 574