Ludwig ackert mit seinen Adligen
Als nun Ludwig der Eiserne seiner Ritter einen
überzog, der sich wider ihn verbrochen hatte, sammleten sich die
andern und wollten's nicht leiden. Da kam er zu streiten mit ihnen bei
der Naumburg an der Saal, bezwang und fing sie und führte sie zu
der Burg; redete seine Notdurft und strafte sie hart mit Worten: »Euren
geleisteten Eid, so ihr mir geschworen und gelobet, habt ihr böslich
gehalten. Nun wollte ich zwar euer Untreu wohl lohnen; wenn ich's aber
täte, spräche man vielleicht, ich tötete meine eignen Diener;
sollte ich euch schatzen, spräche man mir's auch nicht wohl; und
ließe ich euch aber los, so achtetet ihr meines Zorns fürder
nicht.« Da nahm er sie und führte sie zu Felde und fand auf
dem Acker einen Pflug, darein spannete er der ungehorsamen Edelleute je
vier, ahr (riß, ackerte) mit ihnen eine Furche, und die Diener hielten
den Pflug; er aber trieb mit der Geißel und hieb, daß sie
sich beugten und oft auf die Erde fielen. Wann dann eine Furche geahren
war, sandte er vier andere ein und ahrete also einen ganzen Acker, gleich
als mit Pferden; und ließ darnach den Acker mit großen Steinen
zeichnen zu einem ewigen Gedächtnis. Und den Acker machte er frei,
dergestalt, daß ein jeder Übeltäter, wie groß er
auch wäre, wenn er darauf käme, daselbst solle frei sein; und
wer diese Freiheit brechen würde, sollte den Hals verloren haben;
nannte den Acker den Edelacker, führte sie darauf wieder zur Naumburg,
da mußten sie ihm auf ein neues schwören und hulden. Darnach
ward der Landgraf im ganzen Lande gefürchtet; und wo die, so im Pfluge
gezogen hatten, seinen Namen hörten nennen, erseufzten sie und schämten
sich. Die Geschichte erscholl an allen Enden in deutschen Landen, und
etliche schalten den Herrn darum und wurden ihm gram; etliche scholten
die Beamten, daß sie so untreu waren; etliche meinten auch, sie
wollten sich eh haben töten lassen denn in den Pflug spannen. Etliche
auch demütigten sich gegen ihren Herrn, denen tat er gut und hatte
sie lieb. Etliche aber wollten's ihm nicht vergessen, stunden ihm heimlich
und öffentlich nach Leib und Leben. Und wenn er solche mit Wahrheit
hinterkam, ließ er sie hängen, enthaupten und ertränken
und in den Stöcken sterben. Darum gewann er viel heimliche Neider
von ihren Kindern und Freunden, ging derohalben mit seinen Dienern stetig
in einem eisern Panzer, wo er hinging. Darum hieß man ihn den Eisernen
Landgrafen.
Kommentar: Bange,
Bl. 61. Winkelmann, VI, 230. Rohte 1634.
Gerstenberger S. 242, 243.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 551