Der Ochsenberg
In der Alten Mark, nicht weit vom zertrümmerten Schloß Alvensleben,
liegt ein großes, wacker lustiges Dorf, mit Namen Ursleben. Einen
Büchsenschuß hinter dem Dorf stehet ein großer See, genannt
Brock (Bruch), an dessen Stätte war vor alten Zeiten ein schönes
Schloß, das hernach unterging, und seitdem war das große Wasser
aufgekommen. Nämlich es sollen alle Leute drinnen versunken sein,
ausgenommen eine einzige Edeljungfer, die ein Traum kurz vorher warnete.
Als nun das Vieh und die Hühner sonderlich traurige Zeichen eines
bevorstehenden großen Unglücks laut werden ließen, setzte
sich diese Jungfrau auf einen Ochsen und ritt davon. Mit genauer Not erreichte
sie einen dabei gelegenen Hügel, hinter ihr drein sank das Schloß
zusammen, und wie sie, auf dem Ochsen sitzend, sich vom Hügel umsah,
war das Gewässer überall aufgestiegen. Davon heißt der
Hügel noch Ossenberg bis auf den heutigen Tag.
Kommentar: Prätor.: Weltbeschreibung, I, 96, aus mündlicher Erzählung seiner Mutter, die in der Gegend gebürtig war.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm
Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 112