Der verzauberte König zu Schildheiß
Das alte Schloß Schildheiß, in einer
wüsten Wald- und Berggegend von Deutschböhmen, sollte aufs neue
gebaut und wiederhergestellt werden. Als die Werkmeister und Bauleute
die Trümmer und Grundfesten untersuchten, fanden sie Gänge,
Keller und Gewölbe unter der Erde in großer Menge, mehr als
sie gedacht; in einem Gewölbe saß ein gewaltiger König
im Sessel, glänzend und schimmernd von Edelgestein, und ihm zur Rechten
stund unbeweglich eine holdselige Jungfrau, die hielt dem König das
Haupt, gleich als ruhete es drinnen. Als sie nun vorwitzig und beutegierig
näher traten, wandelte sich die Jungfrau in eine Schlange, die Feuer
spie, so daß alle weichen mußten. Sie berichteten aber ihren
Herrn von der Begebenheit, welcher alsbald vor das bezeichnete Gewölbe
ging und die Jungfrau bitterlich seufzen hörte. Nachher trat er mit
seinem Hund in die Höhle, in der sich Feuer und Rauch erzeigte, so
daß der Ritter etwas zurückwich und seinen Hund, der vorausgelaufen
war, für verloren hielt. Das Feuer verlosch, und wie er sich von
neuem näherte, sah er, daß die Jungfrau seinen Hund unbeschädigt
im Arme hielt, und eine Schrift an der Wand, die ihm Verderben drohte.
Sein Mut trieb ihn aber nachher dennoch an, das Abenteuer zu wagen, und
er wurde von den Flammen verschlungen.
Kommentar: Volksbuch
vom Ritter Eginhard, S. 42 ff.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm
Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 25