Der Soester Schatz
Im Dreißigjährigen Krieg befand sich
unweit der Stadt Soest in Westfalen ein altes Gemäuer, von dem die
Sage ging, daß darin eine eiserne Truhe voll Geldes wäre, welche
ein schwarzer Hund hütete samt einer verfluchten Jungfrau. Nach der
Erzählung der Großeltern werde einstens ein fremder Edelmann
ins Land kommen, die Jungfrau erlösen und mit einem feurigen Schlüssel
den Kasten eröffnen. Mehrere fahrende Schüler und Teufelsbanner
hätten sich bei Mannsgedenken dahin begeben, um zu graben, wären
aber so seltsam empfangen und abgewiesen worden, daß es seithero
niemand weiter gelüstet; besonders nach ihrer Eröffnung, daß
der Schatz keinem zuteil werden könne, der nur ein einziges Mal Weibermilch
getrunken. Vor kurzer Zeit noch wäre ein Mägdlein aus ihrem
Dorf nebst etlichen Geißen an den Ort zu weiden gewesen, und als
deren eine sich in das Gemäuer verlaufen, nachgefolgt. Da sei eine
Jungfrau inwendig im Hof gewesen und habe es angeredet: was es da zu schaffen?
Auch nach erhaltenem Bescheid, auf ein Körblein Kirschen weisend,
weiter gesagt: »So gehe und nimm dort von dem, was du vor dir siehest,
mitsamt deiner Geiß, komm aber nicht wieder noch sieh dich um, damit
dir nichts Arges geschehe!« Darauf habe das erschrockene Kind sieben
Kirschen ertappet und sei in Angst aus der Mauer gekommen; die Kirschen
seien aber sogleich zu Geld geworden.
Kommentar: Simplicissimus,
Buch III, Kap. 13.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 159