Tod des Domherrn zu Merseburg
Von langer Zeit her ward in der Stiftskirche zu Merseburg drei Wochen
vor dem Absterben eines jeglichen Domherrn bei der Nacht ein großer
Tumult gehört, indem auf dem Stuhl dessen, welcher sterben sollte,
ein solcher Schlag geschah, als ob ein starker Mann aus allen Kräften
mit geschlossener Faust einen gewaltsamen Streich täte. Sobald solches
die Wächter vernommen, deren etliche sowohl bei Tag als bei Nacht
in der Kirche gewacht und wegen der stattlichen Kleinodien, die darinnen
vorhanden waren, die Runde gemacht, haben sie es gleich andern Tags hernach
dem Kapitel angezeigt. Und solches ist dem Domherrn, dessen Stuhl der
Schlag getroffen, eine persönliche Vertagung gewesen, daß er
in dreien Wochen an den blassen Reigen müßte.
Kommentar: Erasm. Francisci Höll. Proteus, 1056.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm
Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 262