Die zwei unterirdischen Weiber
Folgende Begebenheit hat Prätorius von einem Studenten erfahren,
dessen Mutter gesagt hatte, sie sei zu Dessau geschehen.
Nachdem eine Frau ein Kind zur Welt gebracht, hat sie es bei sich gelegt
und ist noch vor dessen Taufe in einen tiefen Schlaf verfallen. Zur Mitternacht
sind zwei unterirdische Weiber gekommen, haben Feuer auf dem Hausherde
gemacht, einen Kessel voll Wasser übergesetzt, ihr mitgebrachtes
Kind darin gebadet und abgewaschen, solches hernach in die Stube getragen
und mit dem andern schlafenden Kind ausgetauschet. Hierauf sind sie damit
weggegangen, bei dem nächsten Berg aber um das Kind in Streit geraten,
darüber es eine der andern zugeworfen und gleichsam damit geballet
haben, bis das Kind darüber geschrien und die Magd im Hause erwachet.
Als sie der Frauen Kind angeblickt und die Verwechselung gemerkt, ist
sie vors Haus gelaufen und hat die Weiber noch also mit dem gestohlenen
Kind hantieren gefunden, darauf sie hinzugetreten und hat mitgefangen,
sobald sie aber das Kind in ihre Arme bekommen, ist sie eilends nach Haus
gelaufen und hat die Wechselbutte vor die Tür geleget, welche darauf
die Bergfrauen wieder zu sich genommen.
Kommentar: Prätor.:
Weltbeschreibung, I, 123, 124.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 90