Verkündigung des Verderbens
Als die Magdeburger im Jahr 1550, am 22. September, mit dem Herzog Georg
von Mecklenburg Schlacht halten sollten, ist ihnen bei ihrem Auszuge vor
dem Dorf Barleben, eine Meile Wegs von der Stadt, ein langer, ansehnlicher,
alter Mann, der Kleidung nach einem Bauersmanne nicht unähnlich,
begegnet und hat gefragt, wo sie mit dem Kriegsvolk und der Kriegsrüstung
hinausgedächten. Und da er ihres Vorhabens berichtet worden, hat
er sie gleich mit aufgehobenen Händen herzlich gebeten und gewarnt,
von ihrem Vorsatze abzustehen, wieder heimzukehren, ihre Stadt in acht
zu nehmen und ja des Orts und sonderlich in dieser Zeit nichts zu beginnen,
weil eben auch vor zweihundert Jahren die Magdeburger auf den St.-Moritz-Tag
und an demselben Orte, an dem Wasser Ohra, geschlagen worden; wie ein
jeder, der es wüßte, in der Tafel der St.-Johannes-Kirche zu
Magdeburg lesen könnte. Und würde ihnen, wofern sie fortfahren,
gewiß auch diesmal glücklicher nicht ergehen. Ob nun wohl etliche
sich über das Wesen und die Rede des Mannes verwunderten, so haben
doch ihrer sehr viel ihn gespottet und die Warnung höhnisch verlacht,
von welchen Spöttern hernach doch keiner in der Schlacht unerschlagen
oder ungefangen geblieben sein soll. Man sagt, er sei als ein gar alter
eisgrauer Mann erschienen, aber solches schönen, holdseligen, rötlichen
und jungen Angesichts, daß es zu verwundern gewesen. Und demnach
es leider gefolgt, wie er geweissagt, hat man allenthalben Nachforschung
nach solchem Manne gehabt, aber niemand erfahren können, der ihn
zuvor oder nachher gesehen hätte.
Kommentar: Prätor. Weltbeschreibung, II, 38.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm
Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 144